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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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hin und her. »Aber die heutige Jugend ist so
träge! Und vor lauter Trägheit entfernt sie sich von der Gesellschaft! Meinen
Jungen kümmert es überhaupt nicht, was sich um ihn herum tut! Elektrische
Geräte, Maschinen, das interessiert ihn. Wie ein Radio funktioniert …
Meinetwegen! Ich sage ja selbst, dass wir Technik und Industrie unbedingt nötig
haben. Und trotzdem stört es mich, dass mein Sohn so ist.«
    »Ja, auch die Industrie kann uns
helfen, aus den mittelalterlichen Zuständen herauszukommen.« Refık merkte,
dass er das nur so dahingesagt hatte.
    »Haben Sie sich schon mal mit
Pädagogik befasst?« fragte Süleyman unvermittelt.
    »Noch nicht so richtig«, erwiderte
Refık und kam sich dabei unaufrichtig vor.
    »Es braucht aber Pädagogik in einem
Land wie dem unseren! Wie wollen Sie denn Ihre Bauern erziehen? Doch nicht
allein mit Ihren Projekten! Diese Leute wissen doch gar nicht, wer oder was gut
für sie ist!«
    Refık war überrascht, dass sie
auf Umwegen bei seinen Projekten angelangt waren. »Ich bin dafür, dass zuerst
wirtschaftliche Maßnahmen getroffen werden.«
    »Und wenn sich die Leute dagegen
sperren?«
    »Gegen die Vorschläge, die ich
mache, dürfte sich kaum jemand sperren«, entgegnete Refık aufgeregt. »Bei
meinen Projekten –«
    »Jaja, die habe ich gelesen!« Er zog
eine Schublade auf und holte das Dossier heraus, das Refık ihm zehn Tage
zuvor per Boten hatte überbringen lassen. »Aber wie soll das alles umgesetzt
werden?«
    »Genau darüber möchte ich ja mit
Ihnen sprechen!«
    »Ich finde diese Projekte aber nicht
sinnvoll.«
    »Wie bitte?«
    »Ich finde sie nicht sinnvoll. Sie möchten
aus der Türkei ein Bauernparadies machen!«
    Der Ton, in dem das gesprochen war,
ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. »Ich möchte aus
der Türkei ein Paradies für alle machen!« sagte Refık.
    »Ja, das habe ich aus Ihren Briefen
schon herausgelesen. Aber so redet jeder daher. Bei Ihnen ist oft von
›Aufklärung‹ die Rede, aber wem genau soll die nützen? Den Bauern? Dem
Volk? Den Armen? Gutgemeint! Aber mit welchen Mitteln wollen Sie das
bewerkstelligen? Mit unseren eigenen? Industrie haben wir keine, also muss erst
der Landwirtschaft entzogen werden, was sie dann wieder zurückbekommt! So ist
es doch, oder?«
    »In gewisser Weise schon. Aber hier
wäre es eben Aufgabe der Reformen, die Strukturen dafür zu schaffen. Es muss
dafür gesorgt werden, dass die Leute in den Dörfern im Hinblick auf die neuen
Prinzipien zusammenarbeiten und –«
    »Die Mittel werden also wieder der
Landwirtschaft zugeführt«, unterbrach ihn Süleyman. »Im Grunde nicht anders als
schon seit jeher. Unser Ziel muss aber vielmehr sein, mit diesen Mitteln eine
Industrie zu schaffen. Über meine Auffassung von einer widerspruchsfreien,
technisch fortgeschrittenen Gesellschaft scheinen Sie sich keine großen
Gedanken gemacht zu haben. Im Gegensatz zu dem, was Sie in Ihren Briefen behaupten.«
    »Ich habe mir schon Gedanken darüber
gemacht!« sagte Refık eifrig.
    »Dann hätten Sie einsehen müssen,
dass mir zufolge das Geld, das unsere Kapitaleigner zur Schaffung einer
Industrie nicht aufbringen können, vom Staat zur Verfügung gestellt werden
muss. Oder fassen Sie das Prinzip des Etatismus etwa anders auf?«
    »Nein, nein!« beeilte sich
Refık zu sagen. Wichtig war ihm allerdings nicht, was er wie auffasste,
sondern einzig und allein die Verwirklichung seiner Projekte, die dem Land so
viel Nutzen bringen würden. »Ich muss ihm das unbedingt klarmachen!«
    »Wenn Sie dieses Prinzip also
genauso auffassen wie ich, wie kommen Sie dann auf solche Gedanken?« fragte
Süleyman und deutete auf das vor ihm liegende Dossier. »Wie kommt es, dass Sie zu
einer Meinung gelangen, die der meinen diametral entgegensteht?«
    Für Refık war es eher so, dass
seine Projekte lediglich in Detailfragen zu Süleyman Ayçeliks Gedanken im Widerspruch standen. Was der
Autor so hervorhob, war für Refık nicht weiter von Bedeutung. Schließlich
glaubten sie doch an die gleichen Reformen und verfolgten beide gute Absichten.
Der gemeinsame Reformeifer würde ihnen über solche Kleinigkeiten schon
hinweghelfen. So hörte Refık zu, ohne dem Autor zu widersprechen, und
seine Aufmerksamkeit galt nicht den Einzelheiten, sondern nur der Verve, mit
der sie vorgetragen wurden.
    Um so recht zur Geltung zu bringen,
worin sie einander missverstanden, führte Süleyman Ayçelik die in seinem Buch und seiner

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