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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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Venedigbild und
hörte aus der Küche Gebrutzel und Besteckklappern. »Wenn wir heiraten, werde
ich abends nach Hause kommen und diese Geräusche hören und auf das Essen
warten!« Als er vor einer halben Stunde eingetroffen war, hatten Nazli und er
sich erst lange angeschwiegen und waren dann übereingekommen, über den Streit vom Vortag
kein Wort mehr zu verlieren. Sie hatten sich versöhnt und sich geküsst, und
dann war Nazli in die Küche gegangen. Aber nicht nur zum Kochen, denn Ömer
wusste, dass Nazli genauso wie er an jenen Streit und an die vorhergehenden
dachte und es nicht ertrug, so schweigend dazusitzen.
    Nazli kam mit einem Teller voller
Geschirr zurück und deckte den Tisch. Ömer sah wieder auf das Venedigbild.
»Warum bin ich eigentlich gekommen?« dachte er. »Weil ich es allein nicht mehr
aushalte!« Als Nazli in die Küche zurückging, sah er ihr nach. »Wir sind zwar
verlobt, können uns aber nicht einmal küssen, ohne rot zu werden.« Er dachte an
ihren Versöhnungskuss zurück. »Ich bin betrunken.« Er konnte aber nicht umhin,
auch noch anderes zu denken: »Sie vergisst immer, dass ich ein Mann bin und
dass man doch sexuelle Wünsche hat. Vielleicht meint sie ja, ich wäre so ein
Engel wie sie selbst. Und immer, wenn sie das anders sieht, fällt ihr ein, dass
wir ein Haus und Möbel brauchen!« Ihm graute vor seinen Gedanken und vor sich
selbst. Er stand auf und ging im Zimmer hin und her. Er merkte, dass er Nazli
mit seinen kleinen, hastigen Schritten nervös machte. Das Gebrutzel hörte auf,
und Nazli kam mit einem Teller Köfte zurück.
    Ömer setzte sich an den Tisch.
»Weißt du, dass ich heute nachmittag schon getrunken habe?«
    »Man riecht es.«
    »Ich bin zu Samim, das heißt, ich
wollte hin, aber dann bin ich mitten auf dem Weg wieder umgekehrt.«
    »Wie findest du die Köfte? Nimm dir
doch mehr davon!«
    »Jaja. Du fragst mich ja gar nicht,
warum ich umgekehrt bin?«
    »Warum bist du umgekehrt?« fragte sie tonlos.
    »Weil ich zu dem Schluss gekommen bin,
dass ich es bei Samim widerlich finde. Diese biedere Familienatmosphäre, das
ständige Bemühen um das kleine Glück und um nette Bekanntschaften, das finde
ich alles ganz furchtbar …« Ömer sah, dass Nazli auf ihren Teller
hinunterstarrte. Es hielt ihn nicht mehr an seinem Platz. Er stand auf und
sagte: »Ich will noch was trinken. Hat dein Vater noch Wein da? Er kommt doch
nicht so bald zurück, oder?«
    »Der Wein steht in der Küche auf dem
Fliegenschrank! Und mein Vater bleibt länger weg.«
    Ömer holte rasch den Wein aus der
Küche und machte ihn auf.
    »Ich will auch welchen«, sagte Nazli.
    »Du weißt, dass dir das nicht
guttut! Dann weinst du wieder!«
    »Nein, nein, ich will jetzt was
trinken.« Mit fahriger Geste griff sie zur Flasche. »Du findest Samim und seine
Frau also schlimm. Dabei hast du doch immer gesagt, was für ein netter Kerl er
ist. Und was meinst du mit der Familienatmosphäre?«
    Ömer trank hastig aus seinem Glas.
»Was ich damit meine? Mit der Familienatmosphäre? He, trink nicht so schnell! Hör
auf!«
    »Ja, was du damit meinst!«
    Ömer versuchte zu unterdrücken, was
ihm auf der Zunge lag, aber er konnte sich doch nicht beherrschen. »Na, eben
Familienatmosphäre! ›Wie findest du die Köfte?‹ Solches Zeug und noch
einiges andere!« sagte er und wollte dann gleich auf ein anderes Thema
umschwenken. »Was hast du heute gemacht zu Hause?«
    »Was soll ich gemacht haben? Weil
Hatice Ausgang hatte, habe ich gekocht. Diese Köfte da, über die du spottest!«
    Ömer ging nicht darauf ein. Sie
schwiegen. Nazli trank noch ein Glas Wein, und Ömer versuchte nicht, sie davon
abzuhalten.
    Schuldbewusst fragte Ömer dann:
»Woran denkst du?«
    »Immer an das gleiche!«
    »Nämlich?«
    »Ach, nichts!«
    Als wollte er einen immer dünner werdenden,
aber doch nicht entzweigehenden Faden endlich abreißen, sagte er nervös: »Jetzt
erzähl mir doch bitte, woran du denkst!«
    »Immer an das gleiche. Was aus uns
werden soll.«
    »Was soll schon werden? Heiraten
werden wir!« Und spöttelnd fügte er hinzu: »Am sechsundzwanzigsten April!«
    »Ich begreif dich nicht!« rief
Nazli. »Was willst du eigentlich? Wenn du mich nicht liebst und mich nicht
passend findest, warum gibst du dich dann mit mir ab? Ich weiß, dass du mich
verachtest, du versuchst es inzwischen ja nicht einmal mehr zu verbergen. Du
verachtest mich, weil ich uns ein Heim einrichten will, weil ich schöne Kleider
anziehen und mit

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