Cevdet und seine Soehne
Familien.
»Ich weiß auch nicht! Ist mir nur so
eingefallen!«
»Nein, mein Lieber, damit willst du
doch was Bestimmtes sagen!«
Sie blickten während ihrer
Unterhaltung auf den Bosporus hinaus. Der strahlende Tag war so richtig dafür
geschaffen, plaudernd und Sonnenblumenkerne knabbernd am Meer zu sitzen und den
Leuten zuzusehen.
»Na ja, diese Heiraterei kommt mir
eben komisch vor.«
Refık verzog das Gesicht. Er
fürchtete, das Gespräch würde eine unangenehme Wendung nehmen. In Perihans
Gegenwart über derlei zu reden behagte ihm gar nicht. Perihan sah einstweilen
nur auf die von Üsküdar herüberkommenden Boote.
»Ich versteh dich ja, aber meinst du
nicht, dass du ein wenig übertreibst?«
»Mag schon sein. Aber wenn du an
unsere Studienzeit denkst …«
»Ja?«
»Da dachte ich noch, keiner von uns
würde jemals heiraten.«
»Tatsächlich?«
Muhittin sah den Passagieren zu, die
einem der Boote entstiegen, und dachte: »Ach was, wie soll ich dem das
erklären! Und überhaupt: Bei ihm war doch damals schon klar, dass er mal
heiratet und in einer Familie aufgeht! Wo habe ich bloß meinen Kopf!« Plötzlich
hatte er Lust, Refık ein wenig zu malträtieren. Er wusste, wie gemein das
war, konnte sich aber nicht beherrschen.
»Du warst ohnehin nicht so wie Ömer
und ich. Hattest schon immer so ein Interesse an Heim und Herd. Wenn ich es so
bedenke, war unsere Freundschaft lediglich …« Nun bremste ihn doch die Scham.
»Ach vergiss diesen Unsinn!« schob er eilig hinterher.
»Heirate du lieber mal und lass dich
so richtig aufs Leben ein, damit endlich Ruhe ist!«
»So schnell wird bei mir nicht Ruhe
sein!«
»Was ist denn jetzt mit deinem
Gedichtband?«
»Wird bald gedruckt!«
»Nicht dass der Kerl dich noch
weiter hinhält!«
»Nein, nein!«
Dann sahen sie schweigend auf die
Anlegestelle. Wer einem der Boote entstieg, tat erst einmal ein paar bedächtige
Schritte, nun da er wieder festen Boden unter den Füßen hatte, und spürte dann
auch die stechende Sonne. Niemand schien es irgendwie eilig zu haben. Die ganze
Natur und die Menschen darin lebten genießerisch dahin, ohne Überschwang; und
ohne sich über den Wert des Genossenen weiter Gedanken zu machen, ließen sie
die Zeit vergehen und warteten auf den Tod. Muhittin dachte: »Ömer hat schon
recht, man muss etwas tun!« Und dennoch hatte Ömers ausgeprägter Ehrgeiz auch
etwas Hässliches an sich. Zweifelnd dachte Muhittin: »Ach, ich weiß nicht! Ich
will doch nur ein guter Dichter werden. Mein Fehler ist, dass ich hier faul
herumsitze, anstatt daheim zu arbeiten!« Den Vormittag über hatte er an seinen
Gedichten geschrieben. Er hatte damit gehadert, wie weit es von seiner Wut
bis zu den entsprechenden Worten dafür war, hatte geschrieben und wieder
durchgestrichen, und als er dann Blatt um Blatt fortwarf, ohne überhaupt noch
etwas zu streichen, stürmte er schließlich unter den sorgenvollen Blicken
seiner Mutter aus dem Haus und rief Refık an. »Perihan und ich wollten gerade
zu einem Spaziergang aufbrechen!« hörte er von dem. Ein Begriff wie
»Spaziergang« roch für Muhittin nach Familie und geregeltem Alltag. So waren
die beiden allein nach Beşiktaş gegangen, und Muhittin hatte
sie dort an der Anlegestelle erwartet. »Ich hätte geduldig sitzen bleiben und
weiterschreiben sollen!« dachte er verärgert.
Perihan gähnte und hielt sich erst
im letzten Augenblick die Hand vor den Mund. Refık lächelte ihr zu. Dann
sahen sie wieder auf den Bosporus hinaus.
»Was habt ihr denn an Silvester
gemacht?« fragte Muhittin eher desinteressiert.
»Ach, in der Familie gefeiert!«
»Und wie?«
»Gegessen und dann Bingo gespielt!«
Refık sah zu Perihan hinüber. »Perihan hat einen kleinen Spiegel gewonnen!«
Er lachte. »Meine Mutter kauft für das Bingo immer kleine Preise. Sie liebt
solche Silvesterfeiern. Und mein Vater hat seine üblichen Scherze gemacht. Hast
du den Spiegel dabei?«
»Stimmt, der ist in meiner Tasche!«
Vergnügt machte Perihan ihre Tasche auf.
Muhittin dachte: »Was sie da wohl
alles drin hat? Kamm, Brieftasche, vielleicht einen Schlüssel, ein Taschentuch
…« Einerseits war er neugierig darauf, aber zum anderen trieb er mit so etwas
doch lieber seinen Spott.
»Ist er nicht süß?« Lachend hielt
ihm Perihan den Spiegel entgegen.
Muhittin dachte: »Ich kann einfach
nicht so naiv sein wie die! Ich will tief in die Sünde eintauchen. Wozu bin ich
eigentlich hierhergekommen?« Er nahm den Spiegel an sich. Er
Weitere Kostenlose Bücher