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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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sah auch Nazli einen Augenblick und befand sie für hübsch. »Ja,
ich bin spät gekommen!« dachte er. Dann wurde das Grammophon abgestellt, und
man merkte an der Stimmung, dass es nun gleich soweit sein musste. »Wenn sie
aus der Tür da kommen, werde ich Ömers Gesicht gut sehen!« dachte Muhittin und
setzte sich entsprechend hin.
    Wie erwartet, traten Ömer und Nazli
aus jener Tür ein, gefolgt vom Abgeordneten Muhtar. Nun fand Muhittin Nazli
doch nicht mehr so hübsch; ja ihm war, als hätte ihr Gesicht sogar irgend etwas
Hässliches an sich. Der Abgeordnete stellte sich zwischen die beiden jungen
Leute und nahm beide an der Hand. Dann blickte er suchend umher. Schließlich
fuhr er mit der Hand in die Tasche und zog zwei mit einer Schleife verbundene
Ringe heraus, die unter den neugierigen Blicken der Umstehenden erst recht zu
glänzen schienen. Ungeschickt steckte Muhtar sie den beiden an die Finger.
Muhittin hatte nicht gewusst, dass die Ringe zusammengebunden sein mussten. Dem
Abgeordneten wurde eine Schere gereicht, mit der er das Band durchschnitt.
Gerührt sagte er dann: »Somit gelten meine geliebte Tochter und dieser von mir
hochgeschätzte junge Mann nunmehr als verlobt. Mögen sie stets Liebe und
Achtung füreinander …«
    »Jetzt ist er rot geworden!« dachte
Muhittin, der Ömers etwas starres Gesicht nicht aus den Augen ließ. »Und so soll
ein Eroberer dreinschauen? So lammfromm? Wahrscheinlich ist es ihm selber
peinlich, aber er hat es ja nicht anders gewollt. Und ein Abgeordneter als
Schwiegervater kann beim Erobern ja nicht schaden!«
    Es wurde geklatscht, und Muhittin
dachte: »Was, schon vorbei?« So schlug er eben auch ein paarmal die Hände
gegeneinander und lächelte dazu. »Ich tue das, weil es dazugehört«, dachte er
und empfand es nicht einmal als Heuchelei.
    Der Abgeordnete küsste die beiden
Verlobten, und diese küssten ihm die Hand. Dann trat der Abgeordnete zur Seite,
und das verlobte Paar stand noch mehr auf dem Präsentierteller und wirkte ein
wenig verkrampft. Nazli warf Ömer einen langen, verlegenen Blick zu, mit dem
sie gewissermaßen bekundete, von nun an ihr Verhalten und ihre Entscheidungen ganz auf den Mann
neben sich abzustimmen. Dann beugte sie sich plötzlich hinunter und nahm eine
aschgraue Katze auf den Arm, die sich an ihre Beine geschmiegt hatte. Da kam
ein erlösendes Lachen auf. Nun standen alle auf, um das Paar zu küssen und zu
beglückwünschen.
    Selbst Muhittin war gerührt, als er
Ömer umarmte. Das hatte er nicht erwartet. Dennoch sagte er sein vorbereitetes
Sprüchlein auf: »So, Rastignac, das war schon mal ein guter Anfang, jetzt muss
aber auch der Rest kommen!«
    »Ein guter Anfang? Ach, Muhittin!«
rief Ömer aus. Er hatte wohl schon einiges getrunken. »Muhittin, du bist doch
immer noch der alte, aber ich …«
    »Ach komm, du bist völlig in Ordnung!«
Als er merkte, dass Ömer ihm nicht mehr zuhörte, weil ein Verwandter ihn
umarmte, wandte er sich zu Refık: »Perihan ist ja ganz schön schwanger!«
Gleich darauf war ihm klar, wie dumm sich das anhörte.
    »Danach gehen wir zu uns, ja? Wenn
die da alle weg sind!« sagte Refık und deutete vage auf die Gäste.
    Ein süßer, weicher Duft hing in der
Luft. Die Leute umarmten sich, lachten, strahlten sich an und scherzten. Ein
wahres Glücksraunen ging durch den Raum. Es war, als hätten die Gäste mehr auf
diese angeregte Atmosphäre gewartet als auf die Verlobung an sich. Muhtar
unterhielt sich in einer Ecke mit Ömers Onkel und Tante. Nazli und Ömer standen
am Fenster und scherzten mit ein paar jungen Mädchen, die sich unter Gekicher
die graue, alte, etwas griesgrämige Katze von Arm zu Arm reichten. Nazlis Tante
als Frau des Hauses ging von Grüppchen zu Grüppchen, machte Leute miteinander
bekannt, schoss lachend von einer Ecke in die andere, wie um Brücken der
Fröhlichkeit zu schlagen, scherzte in einem fort, um die Stimmung noch weiter
anzufachen, und sah dann doch hin und wieder auch melancholisch drein.
    »Ich muss so werden wie die, um
dazuzugehören!« dachte Muhittin. Er wusste aber nicht, wie das anzufangen war.
Er versuchte sich an einem Scherz.
    »Gutes Theater, was?« sagte er zu
Refık und bemühte sich um ein Lachen, allerdings vergeblich.
    »Ja, es ist amüsant hier!« erwiderte
Refık.
    »So richtig amüsieren werden wir uns
erst beim Essen«, fuhr Muhittin fort, um irgend etwas zu sagen. »Ob es dazu
wohl Alkohol gibt?«
    Sie hörten Gelächter. Nazlıs
Tante Cemile erzählte

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