Chalions Fluch
nicht, mir dumm vorzukommen!«
Cazaril neigte entschuldigend das Haupt. Er hatte nicht deshalb so lange geschwiegen, weil er ihre mädchenhafte Unbekümmertheit schützen wollte – oder die von Betriz –; auch nicht aus Furcht vor einer Verhaftung. Er hatte befürchtet, ihre Hochachtung zu verlieren. Er war krank vor Angst, dass sie ihn Abscheulichkeit betrachtete.
Feigling. Sprich endlich! Bring es hinter dich.
»Am Abend nach Dondos Tod habe ich zum ersten Mal von dem Fluch erfahren. Der Tierpfleger Umegat erzählte mir davon. Nebenbei bemerkt, ist er gar kein Tierpfleger, sondern ein Geistlicher des Bastards und der Heilige, über den das Wunder der Menagerie für Orico gewirkt wurde.«
Betriz’ Augen wurden groß. »Oh. Ich mochte ihn. Wie geht es ihm?«
Cazaril machte eine abwägende Geste mit der Hand. »Schlecht. Er ist immer noch bewusstlos. Und schlimmer noch, er …« Cazaril schluckte. Los, sprich es aus! »Er hat aufgehört zu leuchten.«
»Aufgehört zu leuchten?«, sagte Iselle. »Ich wusste nicht einmal, dass er damit angefangen hat!«
»Ich weiß. Ihr könnt es nicht sehen. Es gibt da etwas, das ich Euch über Dondos Ermordung verschwiegen habe.« Er holte tief Luft. »Ich war es, der Krähe und Ratte geopfert und zum Bastard um Dondos Tod gebetet hat.«
»Das hatte ich schon vermutet«, erwiderte Betriz und setzte sich aufrechter.
»Aber mein Gebet wurde erhört. Ich hätte sterben sollen in jener Nacht in Fonsas Turm. Aber das Gebet eines anderen kam dazwischen. Ich denke, es war das von Iselle.« Er nickte der Prinzessin zu.
Diese öffnete den Mund und legte eine Hand auf ihre Brust. »Ich habe zur Tochter gebetet, mich vor Dondo zu bewahren!«
»Ihr habt gebetet – und die Tochter hat mich bewahrt!« Bedauernd fügte er hinzu: »Aber, wie sich herausstellte, nicht vor Dondo. Ihr habt erlebt, wie bei seiner Bestattung sämtliche Götter das Zeichen verweigert haben und seine Seele nirgendwo Aufnahme fand?«
»Ja. Also wurde er ausgeschlossen, verdammt, und blieb in dieser Welt gefangen«, sagte Iselle. »Der halbe Hof hatte Angst, dass er frei in Cardegoss umging und versuchte deshalb, sich mit Talismanen gegen ihn zu schützen.«
»In Cardegoss, ja. Frei, nein. Die meisten verlorenen Seelen sind an den Ort ihres Todes gebunden. Dondo aber ist an die Person gebunden, die ihn getötet hat.« Cazaril schloss die Augen. Er war nicht in der Lage, in die entsetzten Gesichter zu schauen. »Ihr wisst von meinem Geschwür? Es ist kein Geschwür. Zumindest nicht nur. Dondos Seele ist in meinem Innern gefangen. Gemeinsam mit dem Todesdämon, wie es den Anschein hat. Aber der Dämon erträgt es glücklicherweise schweigend. Nur Dondo kann einfach keine Ruhe geben. Er schreit mich an, in der Nacht …« Cazaril schlug die Augen wieder auf, auch wenn er immer noch nicht aufzublicken wagte. »All diese göttlichen Aktivitäten haben mir eine Art zweites Gesicht verliehen. Umegat besitzt es auch, und in der Stadt gibt es eine kleinere Heilige der Mutter, die es ebenfalls besitzt. Umegat ist … war … von einem weißen Leuchten umgeben. Mutter Clara schimmert in einem schwachen Grün. Und sie haben mir beide erzählt, dass ich von einer größtenteils blauen und weißen Aura umgeben bin, die wabert und strahlt.« Er zwang er sich, aufzusehen und Iselles Blick zu begegnen. »Und ich kann Oricos Fluch als einen dunklen Schatten erkennen. Iselle, hört mir zu. Das ist wichtig! Ich denke, Sara weiß nichts davon. Nicht nur auf Orico liegt ein Schatten. Ihr und Teidez seid ebenfalls befallen! Sämtliche Abkömmlinge von Fonsa scheinen von diesem schwarzen … Etwas verunreinigt zu sein.«
Iselle saß einen Augenblick schweigend da. Dann sagte sie nur: »Das erklärt manches.«
Betriz musterte ihn von der Seite. Dem Sitz seines Gürtels nach war sein Geschwür nicht viel größer geworden als zuvor, doch unter ihrem Blick fühlte Cazaril sich schrecklich unförmig. Er krümmte sich leicht nach vorn und lächelte sie schwach an.
»Wie könnt Ihr diesen Spuk wieder loswerden?«, fragte Betriz.
»Wenn ich es richtig verstanden habe, wird meine Seele bei meinem Tod ihren Halt im Körper verlieren, und der Todesdämon wird freigesetzt, um seine Aufgabe zu vollenden. Ich habe ein wenig Angst, dass der Dämon mich überlisten oder verraten wird, um meinen Tod herbeizuführen. Er ist offenbar sehr auf sein Ziel fixiert und möchte nach Hause zurück. Und wenn die Herrin ihren Griff löst, wird der Dämon
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