Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
Vom Netzwerk:
wiederholt hatte: Darin wuchs Dondo in Cazarils anschwellendem Leib zu voller Lebensgröße heran und schnitt sich dann – irgendwie hatte er sich mit seinem Leichengewand bekleiden und mit einem Schwert bewaffnen können – den Weg nach draußen frei …
    Doch in der Morgendämmerung erwachte Cazaril von einem neuen Albtraum, mit hämmerndem Herzschlag und pochenden Kopfschmerzen. In diesem Traum hatte Dondo es irgendwie geschafft, mit Cazarils Seele den Platz zu tauschen und selbst Cazarils Körper zu übernehmen. Dann hatte er in den Gemächern der Frauen gewütet, wobei Cazaril ihn nicht aufhalten konnte und hilflos zusehen musste. Zu seiner Bestürzung musste Cazaril feststellen, während er keuchend im Zwielicht lag und allmählich in die Wirklichkeit zurückkehrte, dass sein Körper schmerzhaft erregt war.
    War Dondo tatsächlich in einem lichtlosen Kerker gefangen, abgeschnitten von jedem Laut, jegliches Sinneseindrucks beraubt? Oder begleitete er Cazaril als der vollkommene Spion und Voyeur? Seit ihm diese Heimsuchung aufgebürdet worden war, hatte Cazaril nicht mehr daran gedacht, mit Be … mit irgendeiner Frau zu schlafen. Jetzt dachte er daran – und schauderte.
    Kurz stellte Cazaril sich vor, durch das Fenster zu entfliehen. Er konnte seine Schultern durch den Rahmen zwängen und hinabspringen: Der Sturz wäre gewaltig, der Aufprall am Ende … schnell. Oder er konnte sein Messer nehmen, gegen seine Handgelenke gewendet, oder seine Kehle, seinen Leib oder gegen alles drei … Er setzte sich auf, blinzelte und fand ein halbes Dutzend Geistererscheinungen begierig um sich versammelt, gedrängt wie Geier um ein totes Pferd. Cazaril zischte, zuckte und schlug mit den Armen durch die Luft, um sie zu verjagen.
    Konnte ein Körper mit eingeschlagenem Schädel noch von einem solch grässlichen Geschöpf belebt werden? Die Worte des Erzprälaten ließen es vermuten, sodass die Flucht in den Selbstmord ihm anscheinend verwehrt war. Da er Angst hatte, wieder einzuschlafen, erhob er sich aus dem Bett, wusch sich und zog sich an.
    Als er nach einem flüchtigen Frühstück im Bankettsaal zurückkehrte, traf er im Treppenhaus auf eine atemlose Nan dy Vrit.
    »Meine Herrin bittet Euch, unverzüglich bei ihr vorzusprechen«, teilte sie ihm mit. Cazaril nickte und mühte sich die Stufen hinauf. »Nicht in ihren Gemächern«, fügte Nan hinzu, als er vom dritten Stock weiter emporsteigen wollte. »In denen von Prinz Teidez.«
    »Oh.« Cazaril hob die Brauen und wandte sich um, ging an seinem eigenen Gemach vorüber und den Gang entlang zu Teidez’ Räumlichkeiten. Nan folgte ihm dichtauf.
    Als er das Arbeits- und Vorzimmer erreichte – das Gegenstück zu dem von Iselle im Stockwerk darüber – hörte er Stimmen aus den Räumen, die sich dahinter anschlossen. Iselle flüsterte irgendetwas, und Teidez rief: »Ich will nichts essen. Ich will niemanden sehen! Geh weg!«
    Im Aufenthaltsraum lag ein Durcheinander aus Waffen, Kleidungsstücken und Geschenken, planlos verstreut. Cazaril suchte sich einen Weg hinüber zum Schlafgemach.
    Teidez lag rücklings auf den Kissen, immer noch im Nachtgewand. Die drückende, feuchte Luft im Gemach roch nach dem Schweiß des Jungen, doch da war noch etwas anderes … Teidez’ Privatschreiber und Tutor verweilte besorgt auf einer Seite des Bettes; Iselle stand auf der anderen und stemmte die Hände in die Hüften. Teidez sagte: »Ich will weiterschlafen. Geht weg!« Dann blickte er zu Cazaril auf und zuckte zusammen. »Und den will ich ganz besonders nicht hier sehen!«
    In mütterlichem Tonfall sagte Nan dy Vrit: »Aber nicht doch, junger Herr. Mit der alten Nan könnt Ihr so nicht sprechen.«
    Alte Gewohnheit siegte über den Trotz, und Teidez’ ruppiger Tonfall wurde weinerlich. »Mir tut der Kopf weh.«
    »Nan, bring Licht her«, sagte Iselle. »Cazaril, ich möchte, dass Ihr Euch Teidez’ Bein anschaut. Ich finde, es sieht sehr seltsam aus.«
    Nan hielt einen Kerzenständer empor und hellte das fahle, graue Tageslicht auf, das durchs Fenster fiel. Teidez umklammerte zuerst die Bettdecken auf seiner Brust, wagte es dann aber nicht, dem wütenden Blick seiner Schwester Widerstand zu leisten. Sie riss ihm die Decken aus den Händen und legte sie beiseite.
    Drei schorfige, parallele Rillen liefen spiralförmig ein Stück weit um das rechte Bein des Jungen. Für sich genommen wirkten sie weder tief noch gefährlich, aber in ihrer Umgebung war das Bein so sehr angeschwollen, dass die

Weitere Kostenlose Bücher