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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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abzuziehen und sie über den Hof in Teidez’ Gemächer zu schicken. Andernfalls könntet Ihr gleich zwei königliche Marionetten in einer einzigen Woche verlieren.«
    Dy Jironals und Cazarils Blicke begegneten sich wie Stahl und Feuerstein, doch nach einem tiefen, grimmigen Atemzug nickte der Kanzler und erhob sich. Cazaril folgte ihm nach draußen. Dy Jironal mochte von Gier und Familienstolz zerfressen sein, aber er war nicht unfähig. Cazaril erkannte, weshalb Orico bereit gewesen wäre, dafür vieles zu erdulden.
    Nachdem er sich versichert hatte, dass dy Jironal mit der gebotenen Eile die Treppen zu Oricos Gemächern emporstieg, schritt Cazaril selbst sie hinunter. Seit dem gestrigen Abend hatte er nichts mehr vom Siechenhaus des Tempels gehört, und er wollte wieder nach Umegat sehen. Er schritt aus den Toren des Zangres und an den vom Unglück heimgesuchten Stallungen vorüber. Er war ein wenig überrascht, als er Umegats zungenlosen Hilfspfleger entdeckte, der den Hügel emporkam. Der Mann winkte mit seiner daumenlosen Hand, als er Cazaril erblickte, und schritt schneller aus.
    Atemlos, doch lächelnd kam er heran. Sein Gesicht war von blauen Flecken entstellt, und die Haut um ein Auge war purpurrot verfärbt: Spuren des vergeblichen Kampfes in der Menagerie. Seine gebrochene Nase war immer noch geschwollen und am aufgerissenen Rand dunkel verkrustet. Doch seine Augen glänzten in dem übel zugerichteten Gesicht.
    Cazaril runzelte die Stirn. »Weshalb sieht du so zufrieden aus? Ist Umegat aufgewacht?«
    Der Mann nickte eifrig.
    Cazaril erwiderte das Lächeln und fühlte sich mit einem Mal schwach vor Erleichterung.
    Der Tierpfleger sprach mit nuschelnder Stimme, sodass Cazaril vielleicht jedes vierte Wort verstehen konnte. Doch das genügte, um zu verstehen, dass der Mann in irgendeiner eiligen Angelegenheit unter wegs war. Er bedeutete Cazaril, vor der stillen, dunklen Menagerie zu warten. Einige Minuten später kehrte er zurück. Er hatte sich einen Sack an den Gürtel gebunden und hielt ein Buch in den Händen, das er fröhlich schwang. Also war Umegat nicht nur aufgewacht, sondern fühlte sich auch gut genug, nach seiner bevorzugten Lektüre zu verlangen – Ordol, wie Cazaril feststellte. Er war dankbar für die Gesellschaft des tapferen kleinen Mannes und ging neben ihm in die Stadt hinunter.
    Cazaril sinnierte über die Wundmale des Märtyrertums, die dieser Bursche scheinbar mit Gleichmut zur Schau stellte. Sie waren stille Zeugnisse einer schrecklichen Qual, erduldet um seiner Gottheit willen. Hatten die Leiden eine Stunde angedauert? Einen Tag? Monate? Es ließ sich nicht eindeutig bestimmen, ob die weiche Rundheit seines Körpers auf eine Kastration zurückzuführen war oder nur auf das Alter. Und Cazaril konnte ihn schwerlich nach seiner Geschichte fragen. Außerdem war schon der Versuch, seiner undeutlichen Stimme zu lauschen, eine Belastung für die Ohren und die Aufmerksamkeit. Cazaril wusste nicht einmal, ob der Bursche aus Chalion kam oder aus Ibra, aus Brajar oder aus Roknar, oder wie es ihn nach Cardegoss verschlagen hatte, und wie lange er schon an Umegats Seite diente und seinen täglichen Pflichten nachkam, wie sie anfielen. Nun stapfte er dahin, ein Buch unterm Arm und mit strahlenden Augen. So also sah ein treuer Diener der Götter, heldenmütig und geehrt, am Ende aus …
    Sie erreichten Umegats Gemach und fanden ihn aufrecht sitzend im Bett vor, auf einige Kissen gestützt. Er war bleich und erschöpft; seine stoppelhaarige Kopfhaut runzelte sich entlang der Naht; sein verbliebenes Haar sah aus wie ein zerrupftes Rattennest; seine Lippen waren verkrustet, sein Gesicht unrasiert. Der zungenlose Tierpfleger wühlte in dem Sack, holte Rasierzeug hervor und schwang es triumphierend durch die Luft. Umegat lächelte matt. Er starrte auf Cazaril, ließ aber den Kopf auf dem Kissen ruhen, rieb sich die Augen und blinzelte unsicher.
    Cazaril schluckte. »Wie fühlt Ihr Euch?«
    »Ich habe Kopfschmerzen«, brachte Umegat mühsam hervor und schnaubte leicht. Schließlich fragte er: »Sind alle meine wundervollen Tiere tot?« Seine Zunge war angeschwollen, und seine Stimme klang leise und ein wenig undeutlich, doch er schien hinreichend klar bei Verstand zu sein.
    »Fast alle. Ein kleiner, blaugelber Vogel ist davongekommen. Er ist wieder sicher in seinem Käfig. Ich habe nicht zugelassen, dass jemand Trophäen aus den Tieren macht. Gestern ließ ich sie verbrennen wie gefallene Soldaten.

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