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Chalions Fluch

Chalions Fluch

Titel: Chalions Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Erzprälat Mendenal hat sich verpflichtet, einen ehrenvollen Ruheplatz für sie zu finden.«
    Umegat nickte und zuckte dann zusammen. Seine verkrusteten Lippen spannten sich.
    Cazaril blickte auf den Hilfspfleger. Ja, dieser Mann musste einer von denen sein, die die Wahrheit kannten –, dann wieder auf Umegat. Zögernd meinte er: »Wisst Ihr, dass Ihr nicht mehr leuchtet?«
    Umegat sah ihn an und blinzelte. »Ich … habe es befürchtet. Auf diese Weise ist es wenigstens viel weniger beunruhigend, Euch anzublicken.«
    »Euer zweites Gesicht wurde Euch genommen?«
    »So ist es. Das zweite Gesicht ist ohnehin eine überflüssige Ergänzung des Verstandes. Ihr lebt, also weiß ich genau, dass die Herrin noch immer Ihre Hand über Euch hält.« Nach eine winzigen Pause fügte er hinzu: »Ich wusste stets, dass diese Gabe mir nur für eine Zeit lang verliehen würde. Nun, es war eine schnelle und wilde Reise, solange sie angedauert hat.« Seine Stimme sank zu einem Flüstern herab. »Was für eine Reise …« Er wandte das Gesicht ab. »Ich hätte es ertragen, wäre die Gabe zurückgenommen worden. Doch dass sie mir aus den Händen geschlagen wurde … Ich hätte es kommen sehen müssen.«
    Die Götter hätten Euch warnen sollen …
    Der kleine, ältliche Hilfspfleger, der beim Schmerz in Umegats Stimme den Kopf hatte hängen lassen, hob nun das Buch und streckte es tröstend vor.
    Umegat lächelte schwach und nahm es sanft aus den Händen des Mannes. »Immerhin kann ich wieder meinem früheren Beruf nachgehen, nicht wahr?« Behutsam blätterten er die Seiten durch, bis er an eine vertraute Stelle kam. Sein Lächeln erstarb. Seine Stimme klang scharf, als er fragte: »Ist das ein Scherz?«
    »Ist was ein Scherz, Umegat? Das ist Euer Buch. Ich habe gesehen, wie er es aus der Menagerie geholt hat.«
    Unbeholfen mühte Umegat sich in eine aufrecht sitzende Haltung. »Was ist das für eine Sprache?«
    Cazaril trat näher und blickte ihm über die Schulter. »Ibranisch, natürlich.«
    Mit zitternden Fingern blätterte Umegat durch das Buch. Seine Blicke huschten über die Seiten; sein Atem ging heftiger; seine Lippen öffneten sich, und ein Ausdruck des Entsetzens erschien auf seinem Gesicht. »Das ist … das ist Gestammel. Das ist nur … nur … das sind nur Tintenflecke. Cazaril!«
    »Es ist Ibranisch, Umegat.«
    »Es liegt an meinen Augen. Es liegt irgendwie an mir …« Er griff in sein Gesicht, rieb sich die Augen und rief unvermittelt: »O ihr Götter!« Dann brach er in Tränen aus. Drei Atemzüge später wurden aus den Tränen herzzerreißende Schluchzer. »Ich bin gestraft!«
    »Hol die Ärztin, rasch«, rief Cazaril dem verängstigt aussehenden Hilfspfleger zu. Der Mann nickte und eilte davon. Umegats Finger fetzten währenddessen in ziellosem Griff durch die Seiten. Cazaril versuchte ungeschickt, ihm zu helfen. Er klopfte Umegat auf die Schulter, strich das Buch für ihn glatt und nahm es ihm schließlich weg. Bisher hatte Umegat einen Zusammenbruch vermieden. Nun aber war ein schwacher Punkt in seinem inneren Schutzwall durchstoßen, und Verzweiflung flutete hindurch und erfüllte sein Inneres. Umegat weinte – nicht wie ein Kind. Die Schluchzer eines Kindes konnten längst nicht so beängstigend sein.
    Qualvolle Minuten später erschien endlich die weißhaarige Ärztin und beschwichtigte den verzweifelten Geistlichen. Voller Hoffnung griff er nach ihren Händen und wollte sie gar nicht wieder loslassen. Sie erklärte, dass sich bei vielen Männern und Frauen nach einem Schlag der Zustand innerhalb weniger Tage verbessere. Mitunter würden Leute von besorgten Verwandten hergebracht und könnten schon ein paar Tage später auf eigenen Füßen wieder das Siechenhaus verlassen. Diese Aussage half Umegat schließlich, seine Selbstbeherrschung wiederzugewinnen. Doch es erforderte all seine innere Kraft, zumal ihre weiteren Untersuchungen – die sich anschlossen, nachdem sie einen vorüberkommenden Geistlichen zur Bibliothek des Ordens hatte laufen lassen – zutage förderten, dass er auch kein Roknari und kein Darthacan lesen konnte. Darüber hinaus hatten seine Hände die Fähigkeit eingebüßt, eine Feder zur führen und Buchstaben zu schreiben.
    Der Federkiel entglitt seinem unbeholfenen Griff und verschmierte Tinte über die Bettwäsche. Umegat vergrub das Gesicht in den Händen und jammerte erneute: »Ich bin gestraft. Meine Freude und meine Zuflucht, von mir genommen …«
    »Mitunter können die Kranken

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