Chalions Fluch
Dummkopf nicht getötet! Ich würde mein letztes Hemd dafür geben, wenn ich erführe, was dy Jironal inzwischen weiß.«
»Seid Ihr sicher, dass der Kanzler hinter diesem Überfall steckt?«
Cazaril zögerte. »Dy Joal hegte einen persönlichen Groll gegen mich, aber allgemein bekannt war nur mein Ritt nach Valenda. Nur von dy Jironal konnte dy Joal den Hinweis auf meine wirklichen Reiseweg haben. Dy Jironal muss von seinen Spionen in Ibra Nachricht über mich erhalten haben. Er kann noch nicht genau wissen, was wir tatsächlich vorhaben, aber ich fürchte, er wird es bald erfahren. Dy Joal war bloß ein hastig ausgeschickter Notbehelf und sicher nicht der einzige Handlanger. Es wird weitere Zwischenfälle geben.«
»Wann?«
»Das weiß ich nicht. Dy Jironal befehligt den Ritterorden des Sohnes. Er kann auf dessen Angehörige zurückgreifen, sobald ihm eine hinreichend glaubwürdige Lüge einfällt, mit der er den Einsatz rechtfertigen kann.«
Bergon klopfte mit der Schwertscheide gegen seinen ledergeschützten Oberschenkel. Missbilligend blickte er zum Himmel, der aufklarte, als der Abend anbrach. Die Berggrate im Westen zeichneten sich als schwarze Schemen vor einem grünen Glühen ab. Über ihren Köpfen erschienen die ersten Sterne. Die Geschichte des Grauhaarigen über einen herannahenden Schneesturm hatte sich als bloße Täuschung erwiesen, auch wenn zuvor ein leichter Schneeschauer durchs Tal gezogen war.
»Der Mond ist beinahe voll, und ab Mitternacht wird er hoch am Himmel stehen. Wenn wir Tag und Nacht durchreiten, können wir diesen Landstrich vielleicht durchqueren, ehe dy Jironal weitere Verstärkung heranbringen kann.«
Cazaril nickte. »Damit er dann seine Männer drängt, eine Grenze zu bewachen, die wir längst schon hinter uns gelassen haben? Gut! Das gefällt mir.«
Bergon musterte ihn zweifelnd. »Aber … werdet Ihr reiten können, Caz?«
»Ich würde lieber reiten als kämpfen.«
Bergon äußerte seufzend seine Zustimmung. »Ja – «
Dankbar drängte ihnen der trauernde Kastellan dy Zavar sämtliche Wohltaten auf, die sein gebeutelter Haushalt noch entbehren konnte. Bergon entschied, die Maultiere, die verletzten Knechte und ein lahmendes Pferd unter Zavars Obhut zu lassen. Sie sollten nachkommen, sobald sie in der Lage waren, und so die Reisegruppe des Prinzen entlasten. Ferda wählte die schnellsten und kräftigsten Pferde aus und sorgte dafür, dass sie gut abgerieben und gefüttert wurden und ausruhen konnten, bis es Zeit zum Aufbruch war. Graf dy Sould hatte sich nach ein paar Stunden Ruhe in der guten Luft wieder erholt und bestand darauf, den Prinzen zu begleiten. Dy Cembuer hatte sich während des Kampfes im Hof den Arm gebrochen und einige blutige Schnitte davongetragen. Er nahm es auf sich, mit den Knechten und dem Gepäck zurückzubleiben und dy Zavar zur Hand zu gehen, bis alle bereit zum Aufbruch waren.
Cazaril war erleichtert, die Frage der Rechtsprechung über die Banditen deren Opfern zu überlassen. Bergons mitternächtlicher Aufbruch würde es ihnen ersparen, Zeuge der Hinrichtungen im Morgengrauen zu sein. Auch den verstreuten Teil von Dondos Perlen ließ er für die Angehörigen dieses geplagten Haushalts zurück. Die Überbleibsel der Schnur verstaute er wieder in seiner Satteltasche.
Die Reiterschar des Prinzen war wieder auf der Straße, als der Mond über den Hügeln aufging und die verschneiten Täler in schimmerndes Licht tauchte. Jetzt würde es bis Valenda keine Umwege mehr geben.
24
S
ie folgten der Strecke, die Cazaril auf seinem Hinweg durch Westchalion genommen hatte, und wechselten ihre Pferde an unbedeutenden, abgelegenen Komtureien des Ordens der Tochter. Bei jedem Halt erkundigte Cazaril sich besorgt nach weiteren verschlüsselten Botschaften von Iselle, oder nach Neuigkeiten aus Valenda, die vielleicht erhellten, welche taktische Lage sie zu erwarten hatten. Doch solche Briefe blieben aus, sodass Cazaril sich zunehmend unbehaglich fühlte. Ihr ursprünglicher Plan sah vor, dass Iselle bei ihrer Großmutter und ihrer Mutter wartete und von den Truppen ihres Onkels dy Baocia geschützt wurde. Cazaril befürchtete, dass diese idealen Verhältnisse nicht mehr gegeben waren.
Eines späten Abends hielten sie im Dorf Palma, fünfundzwanzig Meilen von Valenda entfernt. Die Gegend um Palma war bekannt für ihr hervorragendes Weideland, und eine Niederlassung des Ritterordens der Tochter züchtete dort Ersatzpferde für die Kirche
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