Chalions Fluch
Fluch schien Iselle zu umhüllen wie ein Mantel aus Zobelpelzen. Aber nicht mehr viel länger …
Gehorsam reihte Cazaril sich neben dem Herzog dy Baocia ein und beteiligte sich selbst daran, die Prozession zu Fuß über die gewundenen Straßen zu Taryoons nahem Tempel zu führen. Dank geschickter Abstimmung erreichte Bergons Prozession vom Palast des Grafen dy Huesta her den Säulengang des Tempels gleichzeitig mit Iselles Zug. Der Prinz trug die roten und orangenen Farben, die seinem Alter und Geschlecht zukamen – dazu eine Miene entschlossener Tapferkeit, wie ein Mann, der sich zum Sturm auf eine Festung anschickte. Palli und ein Dutzend seiner Ritter, gekleidet in den höfischen Ornat ihres Ordens, hatten sich gemeinsam mit Foix und Ferda der Gruppe des Prinzen angeschlossen, damit die Ibraner nicht so verloren wirkten – und sich womöglich auch so fühlten. Cazaril schätzte, dass mehr als tausend Personen von Rang sich trotz der kurzfristigen Einladung im runden Innenhof des Tempels drängten, und scheinbar die gesamte Einwohnerschaft Taryoons säumte die Wege der Prinzessin und des Prinzen. Die Stadt war offensichtlich von Festtagsstimmung ergriffen.
Die beiden Umzüge vermischten sich in einem Wirbel aus Farben und bewegten sich auf das geweihte Gelände zu. Taryoons Tempel hatte fähige Sänger aufzubieten, und der begeisterte Chor brachte mit seinen Liedern die Wände zum Klingen. Vom Erzprälaten geführt, betrat das junge Paar der Reihe nach sämtliche Flügel des Tempels. Auf neuen Teppichen knieten sie nieder und erflehten von jedem Gott den Segen: Von der Tochter und dem Sohn, voller Dankbarkeit für deren Schutz während ihres bisherigen Lebensweges. Und von der Mutter und dem Vater, in der Hoffnung, dass sie von nun an in deren Gesellschaft wandeln durften.
Der Theologie und Tradition nach hatte der Bastard keinen offiziellen Raum in einer Hochzeitszeremonie, doch jedes umsichtige Paar sandte ihm trotzdem eine beschwichtigende Gabe. Cazaril und dy Tagille waren heute als heilige Kuriere ausersehen. Sie nahmen die Geschenke von Bergon und Iselle entgegen und marschierten um die Außenseite des Hauptgebäudes herum zum Turm des Bastards, gemeinsam mit einer kleinen, aber sehr lauten Abordnung singender Kinder. Ein lächelnder, weiß gekleideter Geistlicher stand dort bereit und empfing sie innen vor dem Altar.
Das königliche Paar war gezwungen gewesen, Kleidung und Geld, Speisen und Unterkünfte für diesen Tag auszuleihen, doch bei dem Gott knauserte Bergon nicht. Zusammen mit seinen Gebeten brachte dy Tagille einen großen Beutel mit ibranischem Gold vor den Altar. Iselle sandte das Versprechen – mit eigener Hand geschrieben –, dass sie die Reparatur des Daches am Turm des Bastards in Cardegoss bezahlen würde, sobald sie dort Königin war. Cazaril steuerte aus eigenem Antrieb noch ein Geschenk bei – die blutbefleckte Perlenschnur, den gesamten Rest von Dondos Kette, der nicht im Hof bei den Räubern verstreut worden war. Ein solch schwieriger und verfluchter Gegenstand kam ganz ohne Frage rechtmäßig dem Gott zu, und Cazaril seufzte erleichtert, als er ihn endlich los war.
Während sie über den Fußweg vom Turm des Bastards zurückgingen, hinter dem ein wenig zittrigen Knabenchor her, blickte Cazaril auf die Menge – und hielt plötzlich die Luft an. Dort stand ein Mann mittleren Alters; um ihn herum schwebte ein gedämpftes graues Leuchten, wie das Licht eines Wintertages! Als Cazaril die Augen schloss, war das blasse Licht noch immer zu sehen. Er schaute wieder mit seinem ersten Gesicht. Der Mann trug die schwarzgrauen Roben und die rote Borte eines Beamten des städtischen Gerichts von Taryoon – wahrscheinlich war er ein beisitzender Richter. Und ein kleiner Heiliger des Vaters, wie Clara es in Cardegoss für die Mutter gewesen war …?
Mit vor Staunen aufgerissenem Mund erwiderte der Mann Cazarils Blick. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Sie konnten nicht miteinander sprechen, denn Cazaril wurde zurück zu den Zeremonien in die hohe, widerhallende Tempelhalle gezogen. Er beschloss jedoch, bei der ersten Gelegenheit den Erzprälaten nach dem Mann zu fragen.
Beim heiligen Tempelfeuer hielten die frisch verheiratete Prinzessin und der Prinz jeweils eine kurze Rede; anschließend zogen der Erzprälat, Cazaril und alle anderen durch die bannergeschmückten Straßen zurück zu dy Baocias neuem Palast. Dort war ein großes Festmahl vorbereitet, um sowohl den Nachmittag
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