Chalions Fluch
ebenfalls noch die Kleidung, die sie fürs Festessen angelegt hatten.
»Caz!«, grüßte ihn Palli. »Wo warst du beim Essen?«
»Ich habe mich ausgeruht. Ich … hatte eine üble Nacht.«
»Ach? Und ich hätte geschworen, dass du als Einziger von uns allen nüchtern ins Bett gekommen bist!«
Cazaril erwiderte nichts darauf. »Was hast du da?«
Palli hielt ein Bündel mit geöffneten Briefen empor. »Neuigkeiten von dy Yarrin aus Cardegoss, die in aller Eile von einem Kurier der Kirche überbracht wurden. Ich dachte mir, der Prinz und die Prinzessin sollten sofort davon erfahren. Dy Jironal hat den Zangre gestern Morgen verlassen. Niemand weiß, mit welchem Ziel.«
»Hat er Truppen mitgenommen, und … nein, warte, du musst es nicht zwei Mal erzählen. Komm mit.« Cazaril machte kehrt und führte sie die Treppen der Galerie hinauf zu den königlichen Gemächern. Eines von Iselles Dienstmädchen ließ sie ein und machte sich dann auf den Weg, um das junge Paar zurück ins Wohngemach zu holen. Während die anderen warteten, zeigte Cazaril seinen beiden Begleitern den Brief an Orico und erläuterte dessen Inhalt. Der Herzog nickte nachdenklich und benannte einige Adlige, die geeignet schienen, das Schreiben nach Cardegoss zu bringen.
Iselle und Bergon traten ein. Iselle war noch immer damit beschäftigt, ihr geflochtenes Haar zu richten. Die drei Männer verneigten sich. Prinz Bergon wurde sofort auf die Papiere in Pallis Hand aufmerksam und bat die Besucher, am Tisch Platz zu nehmen.
Palli wiederholte seine Neuigkeiten über dy Jironal. »Der Kanzler nahm nur einen kleinen Trupp seiner berittenen Garde mit. Dy Yarrin hatte den Eindruck, dass dy Jironal entweder nicht weit oder sehr schnell reisen wollte.«
»Was gibt es Neues von meinem Bruder Orico?«, fragte Iselle.
»Nun, hier …« Palli reichte den Brief an sie weiter, damit sie ihn näher in Augenschein nehmen konnte. »Als dy Jironal aus dem Weg war, versuchte dy Yarrin sofort, eine Audienz beim König zu erhalten. Doch Königin Sara ließ ihn wissen, dass Orico schliefe, und keine Bitte der Welt konnte sie dazu bewegen, die Ruhe ihres Gatten zu stören. Da sie vorher schon häufiger dy Yarrin insgeheim Einlass gewährt hatte – auch als dy Jironal noch da war –, fürchtet er nun, dass der Zustand des Königs sich zum Schlechteren gewendet hat.«
»Was ist das für ein anderer Brief?«, wollte Bergon wissen.
»Veraltete Nachrichten, aber trotzdem aufschlussreich«, meinte Palli. »Cazaril, was in aller Welt erzählt denn der alte Erzprälat da über dich? Der Hauptmann der Einheit vom Ordens des Sohnes in Taryoon kam zu mir, ganz zittrig – er hält dich anscheinend für einen Auserwählten der Götter und wagt nicht, dich anzusprechen. Er wollte mit einem Mann reden, der wie er selbst durch heilige Eide gebunden ist. Er hatte die Abschrift eines Befehls erhalten, der aus der Kanzlei an alle Niederlassungen vom Orden des Sohnes in Westchalion ergangen war: Darin wird deine Verhaftung befohlen – wegen Verrats! Du wurdest verleumdet …«
»Wieder mal?«, murmelte Cazaril und nahm den Brief zur Hand.
»Und du wirst angeklagt, dich heimlich nach Ibra begeben zu haben, um Chalion an den Fuchs zu verkaufen. Das ist jetzt nicht mehr ernst zu nehmen, weil inzwischen alle Welt weiß, was wirklich geschehen ist.«
Cazaril überflog den Befehl. »Ich verstehe. Das also war das Netz, in dem er mich fangen wollte, wenn seine Meuchelmörder an der Grenze versagen. Er hat es ein wenig zu spät ausgeworfen, fürchte ich. Wie du gesagt hat – veraltete Nachrichten.«
»Ja, aber es gibt noch ein Nachspiel. Dieser Dummkopf von einem Hauptmann hat seinerseits einen Brief an dy Jironal geschickt, in dem er einräumt, dich gesehen zu haben und sich dafür entschuldigt, dass er dich nicht festgenommen hat. Er beteuert, der Befehl zu deiner Festnahme müsse ein Missverständnis sein, und dass du auf Anweisung der Prinzessin Iselle gehandelt, Großartiges für Chalion geleistet und keinen Verrat begangen hast, und dass die Hochzeit bei den Einwohnern von Taryoon auf großes Wohlgefallen gestoßen ist. Und dass außerdem ein jeder außerordentlich angetan ist von der Prinzessin. Der neue Thronfolger wird von jedermann als gut und weise betrachtet, und als große Erleichterung und Hoffnung nach all den Katastrophen der Herrschaft Oricos.«
Dy Baocia schnaubte: »Und weil diese Katastrophen gleichzeitig auch die von dy Jironals Herrschaft sind, wird es zu einer
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