Chamäleon-Zauber
bald wieder ab. Tief in seinem Inneren wußte er, daß ihm dazu die nötigen Fähigkeiten fehlten, was immer Humfrey auch gesagt haben mochte. Es war nicht nur eine Frage der Magie, sondern auch des Lebensstils und des Ehrgeizes. Er würde niemals einen Menschen zum Tod oder zur Verbannung verurteilen können, selbst wenn er wissen sollte, daß dieses Urteil gerecht war. Er würde auch keine Armee in eine Schlacht führen oder den Tag damit verbringen können, miteinander zankende Bürger wieder zu versöhnen. Schon die reine Last der Verantwortung würde ihn schon bald zu Boden drücken. »Sie haben recht. Kein vernünftiger Mensch würde König werden wollen. Ich möchte nur Sabrina heiraten und mich niederlassen.«
»Du bist ein sehr vernünftiger Bursche. Bleib über Nacht, dann sage ich dir morgen früh, wie du direkt nach Hause kommst, und ich gebe dir auch Schutzmittel gegen die Gefahren mit, die unterwegs lauern.«
»Etwa ein Mittel gegen Nickelfüßler?« fragte Bink hoffnungsfroh. Er dachte an die Gräben, die er mit Cherie, der Zentaurin, überquert hatte.
»Ganz genau. Du wirst deinen Verstand zwar trotzdem beisammenhalten müssen, schließlich ist für Dummköpfe kein Weg sicher, aber nach zwei Tagesmärschen müßtest du wieder zu Hause sein.«
Bink blieb über Nacht. Er stellte fest, daß er das Schloß mitsamt seinen Bewohnern richtig mochte. Selbst die Manticora war jetzt freundlich, nachdem der Magier ein Machtwort gesprochen hatte. »Ich hätte dich nicht wirklich aufgefressen, obwohl ich zugeben muß, daß ich ein bis drei Augenblicke versucht war, es zu tun, nachdem du mich in den… äh, Schwanz getreten hast«, erzählte sie Bink. »Meine Aufgabe ist es, jene abzuhalten, die es nicht ernst meinen. Schau mal, ich bin gar nicht gefangen.« Sie drückte gegen das Gitter, und das Innentor schwang auf. »Außerdem ist mein Jahr sowieso bald um. Fast tut es mir leid.«
»Welche Frage hast du denn gestellt?« fragte Bink etwas nervös und versuchte, sich nicht allzu offensichtlich fluchtbereit zu halten. Auf offener Strecke wäre er kein Gegner für eine Manticora.
»Ich habe gefragt, ob ich eine Seele besitze«, antwortete das Ungeheuer ernst.
Wieder mußte Bink sich zusammenreißen. Einen Jahresdienst für die Beantwortung einer philosophischen Frage? »Was hat er dir geantwortet?«
»Daß nur die eine Seele besitzen, die sich um sie sorgen.«
»Aber… aber dann hättest du doch gar nicht erst zu fragen brauchen. Du hast ein Jahr für nichts bezahlt.«
»Nein. Ich habe ein Jahr für alles bezahlt. Wenn ich eine Seele besitze, dann bedeutet das, daß ich niemals wirklich sterben werde. Mein Körper mag vielleicht verwesen, aber ich werde wiedergeboren werden. Und wenn nicht, dann wird mein Schatten unbeglichene Rechnungen einlösen, oder ich lebe auf ewige Zeiten im Himmel oder in der Hölle. Meine Zukunft ist gesichert, ich werde nie der Vergessenheit anheimfallen. Es gibt keine wichtigere Frage oder Antwort. Und doch mußte diese Antwort richtig formuliert werden, ein einfaches Ja oder Nein hätte mir nicht genügt. Es hätte ein bloßes Raten sein können oder auch nur die persönliche Meinung des Magiers. Eine detaillierte Abhandlung über alle Einzelaspekte hätte alles nur vernebelt. Humfrey hat die Antwort so gegeben, daß ihre innewohnende Wahrheit für sich selbst sprach. Jetzt werde ich nie wieder zweifeln müssen.«
Bink war bewegt. Wenn man es so betrachtete, dann ergab das schon einen Sinn. Humfrey hatte gute Arbeit geleistet. Er war ein ehrlicher Magier. Er hatte der Manticora – und Bink selbst ebenfalls – etwas Lebenswichtiges über Xanth mitgeteilt. Wenn selbst die wildesten, zusammengesetzten Ungeheuer eine Seele hatten, mit allen Konsequenzen, wie konnte man sie dann noch als böse verdammen?
7 Im Exil
Der Pfad war breit und frei von hindernden Zaubern. Nur ein Gebiet jagte Bink einen Schrecken ein. Dort gab es kleine, wurmähnliche Löcher in den Stämmen der Bäume und in den sie umgebenden Felsen. Löcher, die sich von einer Seite zur anderen in einem Stück durchzogen. Die Zappler waren hiergewesen!
Doch er beruhigte sich wieder. Natürlich waren die Zappler nicht vor kurzem vorbeigekommen, denn man hatte diese Plage ausgerottet. Doch dort, wo sie eingefallen waren, da war es furchtbar gewesen, denn die kleinen Flugwürmer hatten sich magisch durch alles hindurchgebohrt, was ihnen im Weg war, ob es nun tote Dinge waren oder Tiere und Menschen. Ein Baum
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