Chamäleon-Zauber
kommen? Es sah fast danach aus. Entweder würden sie sich fast sofort in die Wolle bekommen und sich trennen oder ebenso spektakulär zueinander finden. Zu schade, daß sie sich niemals begegnen würden und er dabeisein könnte, um zuzusehen.
Jetzt, da alles hinter ihm lag, erinnerte er sich an alles, was er in Xanth erlebt hatte. Zum erstenmal in seinem Leben war Bink frei. Er benötigte keine Magie mehr. Er brauchte keine Romanze mehr. Er brauchte Xanth nicht mehr.
Sein rastloser Blick heftete sich plötzlich auf einen winzigen dunklen Fleck an einem Baum. Er zuckte zusammen. War das etwa ein Zapplerloch? Nein, nur eine Verfärbung. Er fühlte sich sofort erleichtert – und merkte, daß er sich ganz schön was vorgemacht hatte. Wenn er Xanth wirklich nicht mehr brauchte, dann wären ihm Zappler gleichgültig. Er brauchte Xanth eben doch. Es stellte seine Jugend dar. Aber… er durfte es nicht behalten.
Dann kam er zu der Station des Schildwächters, und seine Unsicherheit verstärkte sich. Wenn er erst einmal durch den Schild getreten war, dann würden Xanth und alles, was dazugehörte, endgültig hinter ihm liegen.
»Was hast du vor?« fragte der Schildwächter. Es war ein großer, dicker Jüngling mit blassem Gesicht. Doch er gehörte zu dem lebenswichtigen magischen Netz, das einen Schutz gegen Eindringlinge bot. Kein Lebewesen konnte durch den Schild treten, in beiden Richtungen nicht. Doch da niemand Xanth verlassen wollte, diente der Schild als Schutz gegen mundanische Invasionen. Den Schild zu berühren hieß, sofort zu sterben – sofort, schmerzlos, endgültig. Bink wußte nicht, wie das funktionierte, aber das wußte er ja eigentlich von keiner Magie. Es funktionierte eben.
»Ich bin ins Exil geschickt worden«, sagte Bink. »Du mußt mich durchlassen.«
Natürlich würde er nicht versuchen, zu schwindeln, er würde gehen, wie es ihm befohlen worden war. Hätte er versucht, das Exil zu vermeiden, so wäre ihm das nicht gelungen. Das Talent eines der Dörfler bestand darin, ausfindig zu machen, wo sich bestimmte Personen gerade aufhielten, und der hatte seine Aufmerksamkeit nun auf ihn gerichtet. Er würde schon feststellen, ob Bink heute durch den Schild schritt oder nicht.
Der Jüngling seufzte. »Warum müssen alle Komplikationen ausgerechnet in meiner Schicht auftreten? Weißt du eigentlich, wie schwierig es ist, einen mannsgroßen Durchlaß im Schild zu schaffen, ohne das ganze verdammte Ding außer Betrieb zu setzen?«
»Ich weiß gar nichts über den Schild«, gab Bink zu. »Aber der König hat mich ins Exil geschickt, also…«
»Na gut, na gut. Also, paß mal auf! Ich kann dich nicht bis zum Schild begleiten, denn ich muß hierbleiben. Aber ich kann einen Öffnungszauber verhängen, der einen Teil des Schilds für fünf Sekunden öffnet. Sieh zu, daß du dann dort bist und pünktlich hindurchschreitest, denn wenn du es nicht rechtzeitig schaffst, bist du ein toter Mann.«
Bink schluckte schwer. Auch wenn er das Exil früher immer mit dem Tod gleichgesetzt hatte: Jetzt, wo es darauf ankam, wollte er doch ganz gerne weiterleben. »Ich weiß.«
»Schön. Dem magischen Stein ist es egal, wer stirbt.« Bedeutungsvoll klopfte der Jüngling auf den Felsen, gegen den er gelehnt hatte.
»Willst du damit sagen, daß dieser schäbige alte Fels…«
»Der Schildstein. Klar doch. Der Magier Ebnez hat ihn vor einem Jahrhundert entdeckt und so hingestellt, daß er den Schild abstrahlt. Ohne ihn würden die Mundanier hier einfallen können.«
Bink hatte von dem Magier Ebnez gehört. Er war eine der großen historischen Persönlichkeiten. Ebnez war sogar einer von Binks Vorfahren. Er war fähig, Dinge magisch anzupassen. Ein Hammer wurde in seinen Händen zu einem Vorschlaghammer, aus einem Stück Holz machte er ein Teil zu einem Fensterrahmen. Was auch existierte, es wurde innerhalb gewisser Grenzen zu etwas anderem, Gewünschtem. So konnte er beispielsweise Luft nicht in Nahrung verwandeln oder aus Wasser einen Anzug machen. Jedenfalls hatte er einen mächtigen Todesstein in einen Schildstein verwandelt, der jetzt nur noch auf eine bestimmte Entfernung tötete, anstatt in seiner unmittelbaren Nähe. Auf diese Weise hatte er Xanth gerettet. Eine stolze Leistung!
»Also gut, jetzt«, sagte der Jüngling. »Das hier ist ein Zeitstein.« Er klopfte damit gegen den großen Felsen, und das kleine Stück sprang entzwei. Beide Teile wechselten die Farbe von Rot in Weiß. Er reichte eines davon Bink.
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