Chamäleon-Zauber
Augen offengehalten! Sie war zwar häßlich, aber klug. Er war gar nicht auf den Gedanken gekommen, ihre Umgebung derart aufmerksam zu beäugen!
»Aber das Elixier zu bekommen, das wird ein Problem«, fuhr sie fort. »Ich glaube, wir kapern lieber das ganze Schiff. Kannst du segeln?«
»Ich war noch nie auf einem Schiff, das größer war als ein Ruderboot, höchstens auf Iris’ Yacht, und die war nicht wirklich. Wahrscheinlich würde ich seekrank werden.«
»Ich auch«, meinte sie. »Wir sind eben Landratten. Deshalb werden sie uns dort auch niemals vermuten.«
Na ja, das war schließlich immer noch besser, als in einen Hühnerdrachen verwandelt zu werden.
Sie krochen zum Strand hinunter und kamen ins Wasser. Bink blickte nervös zurück – und erspähte ein Licht, das sich ihrer Grube näherte. »Schnell!« flüsterte er. »Wir haben vergessen, das Gitter wieder herunterzulassen. Sie werden sofort entdecken, daß wir geflohen sind.«
Wenigstens waren sie ganz passable Schwimmer. Sie warfen ihre Kleider ab – was war mit denen eigentlich während ihrer Verwandlung geschehen? Es war doch wirklich unmöglich, die Einzelheiten der Magie zu erklären! – und schwammen leise auf
das Segelboot zu, das eine Viertelmeile vor der Küste geankert hatte. Die finstere Tiefe des unter ihm liegenden Wassers beunruhigte Bink sehr. Was es in den Meeren Mundanias wohl für Ungeheuer geben mochte?
Das Wasser war nicht kalt, und die Anstrengung des Schwimmens sorgte dafür, daß er nicht fror, doch nach und nach ermüdete er und fühlte sich doch durchgefroren. Fanchon erging es nicht anders. Von Land aus gesehen, war das Schiff ja nicht weit entfernt gewesen, wenn man sich die Strecke als Fußweg dachte, doch wenn man schwamm, sah das Ganze schon wieder völlig anders aus.
Dann begann auch schon das Geschrei an der Grube. Überall leuchteten Lichter auf und schwärmten aus wie die Feuerfliegen, ohne jedoch etwas in Brand zu setzen. Das verlieh Bink neue Kräfte. »Wir müssen uns beeilen!« keuchte er.
Fanchon antwortete nicht. Sie war viel zu sehr mit Schwimmen beschäftigt.
Endlich, Bink hatte schon fast den Mut verloren, kamen sie am Schiff an. An Deck stand ein Matrose und blickte zum Festland hinüber.
Fanchon schwamm näher an Bink heran. »Du schwimmst… zur anderen Seite«, keuchte sie. »Ich… lenke ihn ab.«
Mutig war sie ja! Es war durchaus möglich, daß der Matrose sie mit einem Pfeil durchbohren würde. Bink schwamm angestrengt um den Kiel herum zur anderen Seite des Schiffs. Es war ungefähr vierzig Fuß lang, was für xanthsche Verhältnisse recht groß war. Doch wenn Trents Behauptungen über Mundania stimmten, dann gab es hier ja noch viel größere Wasserfahrzeuge.
Er griff empor und klammerte sich am Rand der Hülle fest. Er versuchte sich zu erinnern, wie man diesen Teil eines Schiffs nannte, aber es fiel ihm nicht ein. Er hoffte nur, daß keine weiteren Matrosen ihn dabei beobachteten. Er mußte das Schanzdeck sehr vorsichtig erklimmen – ja, so hieß es! –, damit das Schiff nicht ins Schaukeln geriet.
Mit ausgezeichneter zeitlicher Abstimmung begann Fanchon nun, Geräusche zu machen, als würde jemand ertrinken. Vier Matrosen liefen zur Reling, und Bink kletterte leise an Bord. Zuerst rutschte er ab, weil seine erschlafften Muskeln kraftlos geworden waren und nicht reagierten, doch dann klatschte sein durchnäßter Körper auf das Deck. Die Matrosen waren zu sehr abgelenkt, um das Geräusch zu beachten, und bemerkten auch das leise Schaukeln nicht.
Bink stand auf und schlich auf den Mast zu. Die Segel waren eingerollt und boten ihm kaum Deckung. Wenn sie sich mit ihren Laternen umdrehten, dann würden sie ihn sofort sehen.
Na, da mußte er eben als erster handeln. Er fühlte sich einem Nahkampf überhaupt nicht gewachsen, erschöpft und durchgefroren, wie seine Arme und Beine nun waren, aber es blieb ihm nichts anderes übrig. Leise schlich er sich von hinten an die vier Matrosen heran. Sie beugten sich gerade über die Reling und versuchten, Fanchon auszumachen, die einen enormen Lärm veranstaltete. Bink packte den nächststehenden Matrosen von hinten am Hosengürtel, ruckte kräftig, und der Mann stürzte schreiend über die Reling.
Sofort lief er auf den nächsten zu, packte ihn und drückte ihn beiseite. Der Mann hatte sich erschreckt halb herumgedreht, doch es war schon zu spät für ihn. Bink zerrte ihn mit einem Ruck hoch und warf auch ihn über Bord. Fast, jedenfalls – denn
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