Champagner-Fonds
du für einen Unsinn. Es ist wirklich gut, dass du hergekommen bist, damit du die Leute hier kennenlernst.«
»Sie sind nett, weil sie dir Champagner verkaufen wollen.«
»Natürlich wollen sie das, was sollten sie uns sonst anbieten. Am Rhein verkaufen sie dir Rheinwein, so ist die Welt. Und du willst Wein machen und musst den auch irgendwann verkaufen. Wie jedes Land bewegt sich auch Frankreich nur zwischen Himmel und Hölle, allerdings ein ziemliches Stück oberhalb der Mitte zwischen beidem, und in der Champagne noch ein Stück darüber. Lern die Leute kennen, beobachte sie und hör zu, da bekommst du am meisten mit. Oder fahr nach Hause und lass mich meine Arbeit machen.«
Nachdem sie eine Weile schweigend durch feuchte Waldwege gestapft waren, wurde es Thomas zu viel. »Darf man dir keine Fragen mehr stellen?«
»Es kommt auf die Frage an.«
»Dieser Arbeiter aus der Kellerei, dieser General, den kennst du erst seit ein paar Tagen. Wieso vertraust du ihm?«
»Ich traue ihm nicht, aber er bietet sich an, und er will Geld.«
»Deshalb lässt du dich auf ihn und seinen Vorschlag ein?«
»Weil er mir hilft und weil derartige Leute zum Spiel gehören.«
»Ist das hier ein Spiel für dich?«
Philipp war nicht danach zumute, viele Worte zu machen. »Wenn du mitspielen willst, dann mach dich nützlich, sonst ...« Obwohl Thomas längst für sich selbst entschied,war Philipp klar, dass er ihn aus der Schusslinie heraushalten musste.
»Wie hast du dir das Nützlichmachen vorgestellt?«
»Als diskreter Beobachter ...«
»Schmiere stehen nannte man das früher?«
»So in etwa.«
»Für den Fall, dass er dich reinlegt?«
12
Die Fahrt war nicht lang, zwanzig Minuten würden sie bis zum Château Dillon-Lescure brauchen. Die Straße war so wenig befahren, dass ihnen ein möglicher Verfolger sofort aufgefallen wäre. Philipp hatte daran gedacht, mit seinem Wagen loszufahren, nur um zu sehen, ob sich wieder jemand an ihn hängen würde, aber das war ihm lächerlich vorgekommen, obwohl ihm das Spiel, wie er es nannte, zu gefallen begann. Ja, es reizte ihn. Sie hatten stattdessen Thomas’ alten Wagen genommen, um einen möglichen Verfolger nicht auf die Verbindung zu Louise zu bringen, und da Thomas am Steuer saß, konnte Philipp seinen Gedanken nachhängen.
Er glaubte immer weniger an Touraines Aufrichtigkeit. Wenn er daran dachte, dass Touraine ihm Anweisungen geben würde, wann welcher Champagner zu verkaufen war – nein, besten Dank. Und dass dieser Mister Goodhouse sich in die tägliche Verkostungspraxis einmischen würde, hielt er für ausgeschlossen. Es müssten gemeinsame Entscheidungen sein, sie würden vom Zustand des Champagners und vom Preis abhängig sein. Diese Entscheidungen konnten nur zwischen dem jeweiligen Chef de Cave, Goodhouse oder seinen Analysten und ihm getroffen werden.
Ob Touraine sich auf Kosten des Fonds bereicherte, musste dringend geklärt werden. Philipp empfand Gefallendaran, ihm in seiner hochfahrenden Art eins auszuwischen. Für Langer würde es aufschlussreich sein, die Schwachstellen im System zu entdecken. Vielleicht würde es ihn von seinen Plänen abbringen, zumindest würde es seine Position gegenüber Goodhouse stärken. Hatte er ihn nicht eigens deshalb hergeschickt? Die Schwachstellen – das waren meistens die Menschen. Es beunruhigte Philipp, dass er kaum jemanden der Beteiligten kannte. Was der Brite hingegen über Goodhouse gesagt hatte, klang gut. Auch der Belgier, der Importeur aus Brügge, hatte in den Fonds investiert. Allerdings nur den Mindestbetrag. Wie hoch der war, wollte er nicht sagen. »Im Rahmen der breiten, risikoarmen Streuung meiner Anlagen, nur sehr wenig.«
Philipp und Thomas fuhren gemächlich durch die Weinberge von Grauves und Mancy, rechts und links gab es nichts als frisches, junges Grün. Hätte es sich nicht um Weinstöcke gehandelt, hätte Philipp die Monokultur des Weins gestört, wenn nicht sogar gelangweilt, aber bei Wein war es anders. Maisanbau war eintönig, man konnte nicht einmal drüberschauen, bei Zuckerrohr war es genauso. Soja war die reine Monotonie, auf Kilometer gab es zwischen den Pflanzungen keinen Baum und keinen Strauch – die Insekten waren totgespritzt – ansonsten nur flaches Blattwerk auf roter Erde. Weizen überzeugte allein durch seine Farbe, und er zeichnete die Wellen des Windes nach. Der Wein hingegen gewann Leben durch die Anpassung ans Gelände, durch die Aufteilung des mal hellen, mal dunklen
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