Champagner und Stilettos
liebenswürdiges Lächeln, das besagte: Ich weiß, wie das ist! Meine Freundin nervt mich auch immer mit solchen Anrufen , doch Brookes Instinkte waren dank der letzten Monate geradezu überirdisch geschärft: Trotz ihrer vertrauenerweckenden Erscheinung und ihrer mitfühlenden Miene war diese Frau ein Raubtier, ein den großen Knüller witternder, stets hellwacher Vampir. Der zubeißt, wenn man auch nur einen Moment stillhält. Brooke wollte nichts wie weg.
»Sind Sie zu den Grammys hier?«, fragte die Frau freundlich, als wüsste sie nur zu gut, wie hammerhart die Vorbereitungen für solch einen Event waren.
»Mmm.« Auf mehr wollte Brooke sich nicht einlassen. Sie wusste, wusste ganz einfach, dass die Frau gleich wie ein Maschinengewehr Frage um Frage auf sie abfeuern würde; diese Erst-entwaffnen-dann-zuschlagen-Technik kannte sie seit einer unangenehmen Begegnung mit einem scheinbar harmlosen Fan, der sich nach Julians Auftritt in der Today -Show an sie herangemacht und als äußerst aggressiver Blogger entpuppt hatte. Aber sie brachte es immer noch nicht über sich, solchen Leuten von vorneherein die Zähne zu zeigen.
Der Aufzug hielt im neunten Stock, wo sich eine langatmige Konversation (»Ach, der fährt nach oben? Tja, wir wollen runter«) zwischen der Frau und einem mit ziemlicher Sicherheit aus Europa stammenden Ehepaar entspann (beide trugen Caprihosen, wobei seine enger saß als ihre, und hatten zwei verschiedene Versionen desselben neonfarbenen Rucksackmodells von Invicta geschultert). Brooke hielt den Atem an und bekniete innerlich den Aufzug, sich endlich wieder in Bewegung zu setzen.
»Muss doch sehr aufregend sein, zum ersten Mal bei den Grammys dabei zu sein, vor allem da der Auftritt Ihres Mannes mit solcher Spannung erwartet wird.«
So. Brooke atmete aus und fühlte sich komischerweise vorübergehend besser. Welche Erleichterung, ihren Verdacht bestätigt zu sehen; jetzt brauchten sie einander nichts mehr vorzumachen. Im Stillen verfluchte sie sich, weil sie nicht Leos Assistentin zu dem Laden geschickt hatte, aber zumindest wusste sie jetzt, was von ihr erwartet wurde. Sie heftete den Blick auf die Anzeigetafel über der Tür und tat, so gut sie konnte, als hätte sie kein Wort gehört.
»Es hätte mich nur interessiert, Brooke« – als ihr Name fiel, ruckte Brookes Kopf reflexartig herum – »was Sie von den neuesten Fotos halten?«
Die neuesten Fotos. Wovon redete sie? Brooke nahm wieder die Aufzugtür ins Visier und rief sich ins Gedächtnis, dass solche Leute schlicht alles sagten, um auch nur einen Satz aus einem herauszukitzeln – einen Satz, den sie dann so lange drehten und wendeten, bis er zu dem Müll passte, den sie sich gerade zusammenfabriziert hatten. Sie gelobte sich feierlich, der Frau nicht auf den Leim zu gehen.
»Es muss doch sehr schwer sein, diese ganzen schrecklichen Gerüchte über Ihren Mann bezüglich anderer Frauen auszuhalten – ich will mir das gar nicht vorstellen. Trübt das nicht Ihre Vorfreude auf die Feierlichkeiten heute Abend?«
Endlich öffnete sich mit einem leisen Surren die Aufzugtür in der Penthouse-Etage. Brooke trat hinaus in das Foyer, von dem ihre Dreizimmer-Suite abging, dieses Höllenzentrum des Grammy-Vorfeld-Irrsinns. Am liebsten hätte sie mit einem genervten Blick gen Himmel gesagt, dass Julian, wenn er denn wirklich mit der ganzen Frauenriege schliefe, die ihm von den Klatschblättern angedichtet wurde, nicht nur Tiger Woods in den Schatten stellen würde, sondern auch keine Sekunde Zeit mehr zum Singen hätte. Und dass sie solcherlei Unterstellungen kaum noch registrierte, nachdem sie zahllose detaillierte Berichte aus ungenannten Quellen über die Vorlieben ihres Mannes gelesen hatte – von tätowierten Stripperinnen bis hin zu übergewichtigen Männern. Am allerliebsten aber hätte sie der Frau gesagt, was sie selbst nur zu gut wusste: Dass ihr nunmehr unbestritten berühmtes Supertalent von Mann immer noch vor jedem Auftritt vor lauter Aufregung spucken musste, dass er beim Anblick von kreischenden Teenagern Schweißausbrüche bekam und einen unerklärlichen Hang dazu besaß, sich die Zehennägel auf der Toilette zu schneiden. Er war einfach nicht der Typ, der seine Frau betrügt, und das lag für jeden, der ihn kannte, auf der Hand.
Aber sie konnte natürlich nichts von alldem sagen, also hielt sie wie üblich den Mund und sah nur zu, wie die Aufzugtür sich wieder schloss.
Heute Abend denke ich an nichts von alldem ,
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