Champagnerkuesschen
wie man sie nur bei Männern findet, die sich ihres guten Aussehens durchaus bewusst sind.
Benni sieht auch gut aus, allerdings auf eine natürliche, unschuldige Art und Weise. Bei Andreas wirkt das Äußere irgendwie ein kleines bisschen aufgesetzt. Aber das scheint die beiden Frauen vom Nachbartisch nicht zu stören, denn als sie das Café verlassen, werfen sie ihm vielsagende Blicke zu, in der Hoffnung, noch ein Profilächeln von ihm zu erhaschen.
Wir schweigen ein paar Minuten. Ein komisches Gefühl. Bei Benni geht mir nie der Gesprächsstoff aus! Aber das spielt ja keine Rolle mehr. Die Bedienung kommt und bringt zwei Tassen Cappuccino.
„Äh, hast du die bestellt?“, frage ich etwas irritiert.
„Ja“, sagt Andreas und strahlt. „Ich wusste einfach, dass du der Cappuccino-Typ bist.“
So, so. Bin ich nämlich nicht. Ich mag Cappuccino nicht besonders und schon gar nicht, wenn mir ohnehin heiß ist. Ich hätte viel lieber eine eiskalte Cola Zero getrunken.
„Danke, das ist lieb von dir“, sage ich stattdessen und nippe an meiner Tasse.
„Ach, wie süß!“ Andreas beugt sich nach vorne. „Darf ich mal?“
Ich nicke verwirrt. Andreas riecht nach dem Parfum eines bekannten und in meinen Augen völlig überbewerteten amerikanischen Modelabels, das seit Neustem seine Tore auch für das Hamburger Publikum geöffnet hat. Vorbei sind die Tage, an denen man entfernte Freunde beauftragen musste, um einem das Zeug aus Amerika mitzubringen. Jetzt rennt jeder Prolet damit durch die Gegend.
Katja hat es sich nicht nehmen lassen, am Tag der Eröffnung des Flagship-Stores dort hinzugehen, nur um festzustellen, dass das Durchschnittsalter der hauptsächlich weiblichen Kundschaft zehn Jahre unter dem unsrigen lag. An der Eingangstür präsentierten sich junge Männer in Jeans und mit freiem Oberkörper, sozusagen als verkaufsfördernde Maßnahme. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass die Eröffnung im Frühjahr bei lauschigen zwölf Grad Außentemperatur stattfand.
Nachdem wir von einem der Nackedeien im Alter von geschätzten sechzehn Jahren mit einem lasziven „Hey, what‘ s up“ (allerdings mit Hamburger Akzent) begrüßt worden waren, betraten wir den Laden. Röhrend laute Musik und fast völlige Dunkelheit umgaben uns. Katja entschied sich nach langem Hin und Her schließlich für ein blaues Sweatshirt. Dachte sie jedenfalls. Denn als wir wieder ins grelle Tageslicht traten, stellte sich der vermeintliche Blauton als ein sattes Lila heraus. Seitdem macht Katja einen Bogen um den Laden.
Andreas´ Gesicht ist ganz dicht vor mir. Sein Mund ist keinen Zentimeter mehr von meinem entfernt. Ehe ich mich versehe, gibt er mir einen Kuss. Seine Lippen liegen sanft auf den meinen. Fühlt sich gar nicht so schlecht an. Ich blinzele ganz kurz, um mich zu vergewissern, ob Andreas die Augen zuhat. Ich hasse es nämlich, wenn Männer beim Küssen die Augen offen haben und einen dabei anstarren.
Gut! Andreas´ Augen sind geschlossen und er sieht, soweit ich das trotz meiner schrägen Kopfhaltung erkennen kann, ganz zufrieden aus.
Mmh, sein Mund schmeckt leicht nach Kaffee. Plötzlich streicht seine Zunge über meine Oberlippe. Erschrocken über diese Zungenspielerei weiche ich zurück und stoße dabei mit dem Arm gegen meine Kaffeetasse. Mit lautem Klirren geht das gute Stück zu Bruch. Zum zweiten Mal an diesem Nachmittag wird mein Gesicht feuerrot, was Andreas mit einem Lächeln quittiert. Ich könnte vor Scham im Boden versinken. Warum passieren immer mir solche Sachen?
Ich will mich gerade bücken, um die Scherben aufzusammeln, als mein Blick auf einen Mann an einem der Nebentische fällt. Braunes, lockiges Haar, Dackelaugen und einen Mund zum Niederknien – Benni!
Mein Herz bleibt vor Schreck einen Moment lang stehen. Wahrscheinlich sabbere ich, aber das ist mir im Moment völlig egal. Da drüben sitzt mein Freund ... äh ... Fast-noch-vielleicht-Freund!
Benni sieht für die Tageszeitungewöhnlich leger gekleidet aus. Er trägt Jeans, was vermuten lässt, dass er sich nach der Arbeit noch mal umgezogen hat. Er ist nicht alleine. Zwar wird ihr Gesicht gerade durch einen vorbeigehenden Gast verdeckt, aber ich ahne schon, wer die Blondine sein könnte.
Ich recke meinen Hals, um einen besseren Blick auf die beiden zu haben. Bong! Ich bin mit dem Kopf gegen die Tischplatte geschlagen.
„Julia, alles okay?“ Ich reibe mir die schmerzende Stelle am Kopf. „Du siehst aus, als hättest du einen Geist
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