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Champagnerwillich: Roman

Champagnerwillich: Roman

Titel: Champagnerwillich: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Möller
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Weil ich jetzt einen wirklich tollen Mann gefunden habe, und ich wünschte, es wäre nicht passiert, weil dann noch alles beim Alten wäre und ich nicht wüsste, was ich jetzt weiß, und ich nicht darüber nachdenken müsste, ob ich überhaupt Lust auf Schokolade habe und ob es Steuerberater gibt, die sonntags arbeiten, und ich nicht so durcheinander wäre, dass ich sogar vergesse, dass zu diesem Rock nur die Dolce-&-Gabbana-Pumps passen!«
    »Verstehe. Sie haben also den Richtigen gefunden?«
    »Ja! … Nein! … Vielleicht! Ich meine, woher weiß man das schon?«
    »Sie sollten es einfach abwarten. Vielleicht ist er es. Vielleicht aber auch nicht. Sie müssen ein bisschen Geduld haben. Und Sie sollten tief einatmen, Ihre innere Mitte suchen und in aller Ruhe zu mir sprechen.«
    »Damit ich meine Körper-Seele-Balance wieder herstelle?«
    »Nein, damit ich wieder mitschreiben kann.«
    »Verstehe. Sagen Sie mal, Herr Schnüttge, Sie suchen nichtzufällig gerade Versuchspersonen für undurchsichtige Laborexperimente?«
    »Mit Sicherheit nicht. Warum fragen Sie?«
    »Oh. Ich arbeite gerade an einer beruflichen Neuorientierung.«
    »Natürlich. Gibt es denn sonst noch irgendwelche Verwirrungen in Ihrem Leben? Neue Bewältigungsmotive, Perspektivenverschiebungen, Selbstwahrnehmungen oder Ausdrucksverhalten? Haben Sie irgendwelche neuen Fragen?«
    »Hmmm. Da wäre schon noch etwas, dass mich seit einigen Tagen beschäftigt. Glauben Sie eigentlich auch, dass ich auf meinen Sergio-Rossi-Stilettos nicht gehen kann?«
    »Ich verstehe nicht?«
    »Verstehe.«
    O Gott, habe im Badezimmer eine Rasierklingenverletzungsblutlache verursacht. Ein dicker roter Blutfluss strömt aus meinem linken Knöchel. Ich glaube, ich werde ohnmächtig. Ich stehe mit einem Bein in der Badewanne und versuche mit ausgestrecktem Arm an das Handtuch auf der Waschmaschine zu kommen.
    Nackt.
    Es klingelt.
    Verdammt.
    »Jiiiiiil, Nathan ist da. Ich geh dann jetzt zur Arbeit. Weißt du, ich fahre ab heute Taxi. Viel Spaß bei eurer Radtour.«
    O nein, Luisa. Als Taxifahrerin? Ich muss sie zurückhalten. Sie kann Nathan doch nicht allein in mein Zimmer lassen. Was ist, wenn er mein »Abnehmen in 10 Tagen« -Buch findet mit den fünf leer gekratzten Schokoladenpuddingbechern daneben. Oder meine Königstigerpantoffeln, indenen man aussieht, als hätte man sich zwei riesige Wattekissen um die Füße gewickelt.
    »Ach du meine Güte, Jil. Was ist denn das? ›Hahiho‹«, höre ich Nathan lachen. Ich hab’s gewusst. Jetzt ist wirklich keine Zeit, um in Ohnmacht zu fallen, wenn ich die Imagekrise in Grenzen halten möchte.
    Also, raus aus der Wanne. Ich schnappe mir das Frotteehandtuch und drücke es auf das Leck in meinem Blutkreislauf.
    Es vergehen gute zehn Minuten, bis die Blutung gestoppt ist. Bevor ich die Badezimmertür öffne, drehe ich mich noch einmal um, und mein Blick schweift durch den Raum. Gut, der Boden ist etwas blutverschmiert. Und die Handtücher. Und der Spiegel. Und das Waschbecken. Aber dafür bin ich fertig gecremt, geschminkt und angezogen …
    Ich kann es nicht glauben. Nathan sitzt mit meinen Königstigern an den Füßen im Wohnzimmer auf der Couch und starrt ungläubig in ein Fotoalbum.
    »Also, wirklich. Du scheinst ja eine sehr aufregende Kindheit gehabt zu haben. Entschuldige bitte, aber du warst ja ganz schön pummelig.«
    »Nathan, ich glaube, wir sollten jetzt gehen.«
    »Ja, gleich. Ich möchte mir nur noch mal das Foto anschauen, auf dem du als kleines rosa Schweinchen verkleidet bist. KARNEVAL IM KINDERGARTEN. Weißt du, das ist wirklich zu niedlich. Hihi. Dieses süße, kleine Ringelschwänzchen und diese wirklich realistische Schweinenase. Hihihoho.« Das ist doch nicht zu fassen. Nathan krümelt sich vor Lachen in seinem weißen Lacoste Polohemd, seiner beigen Ralph-Lauren-Stoffhose, seinem himmelblauen Pullover und meinen Königstigern an den Füßen auf der Couch hin und her.
    »Nathan. Deine Hose zerknittert. Jetzt zieh deine Radschuhe an und lass uns fahren.«
    »Ach du Gott. Du hast ja Recht. Ich habe nur noch eine Frage. Wer ist der kleine Junge neben dir, der als Bauer verkleidet ist und deine Schweineleine in seinen Händen hält?«
    »Das ist mein Bruder Tanguy.«
    Danke. Na endlich. Die erste rote Ampel seit ungefähr 17 Kilometern Grünphase. Wer hätte gedacht, dass die Münchner City im Grunde nur aus sehr vielen Ampeln, noch mehr Straßen und einem definitiv viel zu großen und viel zu radfreundlichen

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