Champagnerwillich: Roman
Wissen und seine soziale Kompetenz zu schulen. Darum nehme ich jeden Dienstagabend am Ladys-lästern – Fortgeschrittenenkurs – teil. Diese wirklich lehrreiche und geradezu befreiende Veranstaltung findet bei Mark statt, was durchaus praktisch ist, da er zwei Stockwerke unter mir wohnt. Mark ist unser LL-Leiter. Seine Aufgabe ist es, uns immer wieder auf den Planeten Erde zurückzuholen. Und Lasagne zu machen.
LL-Abende sind wie eine Stunde bei Herrn Schnüttge, nur ohne Couch und Sigmund Freud, dafür mit Sarah, einer der weltbesten und ordentlichsten Buchhalterinnen, Luisa, einer arbeitslosen und höchst chaotischen Synchronstimme, Mark, einem pflichtbewussten Kinderarzt, und mir, einer Karrierefrau mit Eintagesgarantie und einem Bund Frühlingszwiebeln unterm Arm.
»Du siehst wirklich fantastisch aus! Komm rein. Mark ist in der Küche und bereitet die Lasagne vor.« Sarah rückt ihr rosa Haarband zurecht und drückt mir einen Kuss auf die Wange.
»Wo ist denn Luisa?«
»Sie besorgt noch den Champagner!«
»Warte. Ich hole dir ein Glas Martini, und dann erzähl mir alles über deinen neuen Lover.« Sarah hat die Anmut von Pocahontas, die Grazie von Audrey Hepburn und die Direktheit eines Strafvollzugsbeamten. Aber diese Kombination macht sie zu meiner besten Freundin.
»Ja, also, weißt du …« In verwaschener Jeans, Sweatshirt und mit einer weißen Schürze um die Hüften, die die Mordspuren eines Tomatenmassakers an sich haften hat, undeinem zerknüllten Handtuch, mit dem er die letzten Reste des vegetarischen Verbrechens von seinen Händen wischt, steht Mark plötzlich im Wohnungsflur. Er hat Sarahs letzte Worte gehört.
Auf einmal schlägt mein Herz schneller.
Mark und ich starren uns wortlos an.
Keiner atmet.
Mein Herz schlägt lauter und lauter.
Bitte schau mich nicht so an, Mark! , möchte ich schreien.
Aber meine Stimme ist weg.
Dingdong!
Danke!
Luisa steht vor der Tür mit einer Flasche Champagner im Arm.
»Hallihallo. Warum steht ihr denn alle hier im Flur rum? Ist jemand gestorben?«
Marks Blick wandert auf seine Sneakers.
Ja, schießt es mir durch den Kopf. Nach zwei Jahren seelischer Symbiose muss nun der Bund zwischen Mark und Jil zu Grabe getragen werden, nachdem ein »Lover« ihn erschlagen hatte. Wir wussten alle, dass es eines Tages so kommen würde. Die Beerdigung findet im engsten Kreise der Familie statt.
»Emm, nein. Wir warten nur auf den Champagner. Schön, dass du endlich da bist.« Sarah schiebt Luisa samt Champagner ins Wohnzimmer, während ich immer noch damit beschäftigt bin, die richtigen Worte für meine Grabrede zu finden.
»Tja, während meine sexuelle Unterversorgung weiter voranschreitet, schnappt sich Jil einfach einen wohlhabenden, gut aussehenden Juristen.« Sarah stopft eine mit Lasagnebeladene Gabel in den Mund und spielt nervös an ihrer Perlenkette. Ich hatte von Nathans Auto erzählt und von seinem Penthouse. Ich schilderte mein Erlebnis im Pool und mit Bob von Future Home Entertainment . Ich schwärmte von Nathans zarten Händen und seinem Grübchen, und bei jedem Wort wurde mir wärmer, und ich merke, wie sehr ich Nathan vermisse.
Ein wunderbarer und zugleich beängstigender Zustand.
Verliebt sein ist manchmal wie Schokolade essen. Es schmeckt so wunderbar süß, aber du hast stets ein schlechtes Gewissen, ob du das Nachgeben deiner Versuchung nicht irgendwann bereust. Andererseits, was wäre das Leben ohne Schokolade?
»Also, Sarah. Ich glaube nicht, dass du dich nach drei Portionen Lasagne besser fühlst. Probier es doch lieber mal mit Champagner. Wir haben noch eine Flasche im Kühlschrank.« Luisa leckt die restliche Soße vom Messer, während sie sich köstlich darüber amüsiert, wie Sarah mit dem Herausziehen der rosa Schleife aus ihrem Haar beginnt, ihre guten Manieren abzulegen.
»Champagner hilft auch nicht. Es ist nicht, dass ich mich nicht für dich freue, Jil …« Sarah unterbricht sich und zerknüllt die rosa Schleife in ihren Fingern.
»Es ist nur, Viktor hat heute gesagt, dass er mich auf der Geschäftsreise nach Mailand nun doch nicht braucht.«
Meine Gabel fällt klirrend auf den Teller.
»Das heißt aber noch lange nicht, dass dein Chef nicht an dir interessiert ist, nur weil er dich nicht mit nach Mailand nimmt.«
»Jil, ich sollte noch ein zusätzliches Ticket für seine Frau besorgen. Als Überraschung zum ersten Hochzeitstag.«
»Oh! Ich verstehe. Das tut mir Leid, Süße.« Ich beuge mich zu Sarah und nehme sie
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