Champagnerwillich: Roman
verlieren, außer einer Traumreise nach Bora Bora vielleicht.«
»Und stell dir doch mal vor, was Nathan für ein Gesicht macht, wenn du dir wirklich einen süßen Typen in dieser Show anlachst. Vor seinen Augen, und er hat dich auch noch dazu angemeldet!«
»Wenn ich es mir so recht überlege, das klingt gar nicht so schlecht«, sage ich affirmativ. Nur zu schade, dass ichNathans Gesicht dabei nicht sehen kann. Na, Hauptsache, er sieht mich. Am besten mit einem knackigen Ricky Martin oder einem verführerischen Colin Farrell im Arm.
»Das ist wirklich eine sehr gute Idee. Ich bin Single. Ich bin jung. Und meine blasse Haut ist mehr als reif für Bora Bora. Auf zum Casting!«, sage ich und festige den Beschluss mit einem großen Schluck Chardonnay.
Bei der Vorspeise ergötze ich mich innerlich an Nathans dummem Gesicht, das er machen wird. Beim Hauptgang kommen Zweifel in mir auf, ob das mit dieser Singleshow so eine gute Idee ist. Beim Champagner zwischendurch überzeugen mich Luisa und Sarah wieder von dem »genialen« Plan, bei der Show mitzumachen. Und beim Dessert merken wir, dass der erste Samstag in diesem Monat HEUTE!!! ist. Das heißt, das Casting findet heute Abend statt. In ein paar Stunden. Und mein Bauch wölbt sich von Minute zu Minute mehr vom vielen Essen, meine Haare stehen zu Berge, und meine Nägel müssten dringend frisch lackiert werden!
Außerdem habe ich wohl einen kleinen Schwips.
»Mach dir keine Sorgen! Wir kriegen das schon hin. Du wirst schon sehen, in einer Stunde siehst du ganz fantastisch aus!« Luisa lacht mich morbiphor an, als sie mich in ein Taxi schubst und wir kurz drauf wie in einem Actionfilm nach Hause rasen.
»Jetzt ist mir schlecht!«, bemerke ich, als ich in der Küche auf einem Stuhl sitze und Sarah und Luisa mit Bürste, Feile, Make-up und Klamotten um mich herumwirbeln.
»Hier Süße, trink noch ein Gläschen Prosecco, und entspann dich«, meint Sarah und tänzelt mit Puderquasten und Lidschatten um den Stuhl. Gehorsam schließe ich die Augen und konzentriere mich auf die wohltuende Wirkung des Alkohols.
Keine Stunde später blicke ich in den Spiegel und bin beeindruckt. Mein Gott, ich wusste ja gar nicht, wie gut ich aussehen kann. Vor mir steht eine Mischung aus Sarahs vornehmer Strenge und Luisas eigensinnigem Chic. Fehlen nur noch die Schuhe. Aufgeregt laufe ich in mein Zimmer und hole eine kleine, silberne Box aus meinem Kleiderschrank. Vorsichtig ziehe ich die liebevoll darum gebundene bordeauxfarbene Schleife auf und öffne den Deckel.
Da sind sie!
Mein Heiligtum!
Mein Ein und Alles!
Meine moccafarbenen Wildlederpumps mit Knöchelriemchen und einem 8-Zentimeter-Absatz von Sergio Rossi. UMTAUSCH & RÜCKGABE AUSGESCHLOSSEN! Falls meine Wohnung jemals in Brand stehen sollte, wären sie die Ersten, die ich vor den Flammen retten würde.
Voller Ehrfurcht lege ich die beiden Riemchen um meine Knöchel und mache erste Gehversuche. Fantastisch!
Ich blicke auf meine Uhr. Schon 20 Minuten vor sechs. Jetzt muss ich mich aber wirklich beeilen! Zum Glück steht Luisa bereits in der Tür und wedelt aufgeregt mit dem Fahrplan der Straßenbahnen durch die Luft.
»Soll ich nicht lieber ein Taxi bestellen?«, frage ich.
»Wir haben die Verkehrsmeldungen im Internet abgerufen. Auf dem inneren Ring ist ein schwerer Unfall passiert. Ein Taxi würde viel zu lange zum Umfahren des Stausbenötigen. Da bist du mit der Straßenbahn schneller. Du musst nur einmal am Hauptbahnhof umsteigen. Ich habe dir alles in den Plan eingezeichnet.« Luisa drückt mir ein gefaltetes Papier in die Hand und einen Kuss auf die Wange. »Na, dann schnapp dir mal einen süßen Kerl!«, rufen mir meine beiden weltbesten Freundinnen nach und prosten sich im Türrahmen mit dem restlichen Prosecco zu, während ich den Hausflur hinabstöckele.
Als ich in der Straßenbahn sitze, versuche ich mir ein paar möglichst souveräne Antworten auf eventuelle Fragen der Castingleute einfallen zu lassen. Komme aber mit meinen Überlegungen nicht sehr weit, weil ich wie gebannt auf die kleine, digitale Anzeige über mir starre, die die Haltestellen anzeigt. Ich darf auf keinen Fall den Hauptbahnhof verpassen. Werde mich beim Casting auf meine Spontaneität verlassen müssen. Ich kann nur hoffen, dass sie mich nicht wieder verlässt. Das macht sie in letzter Zeit nämlich wirklich häufig und schubst dann einfach die Peinlichkeit ins Rampenlicht. Apropos Rampenlicht. Dort werde ich vielleicht auch schon bald
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