Champagnerwillich: Roman
Dingen zu schweben scheint, und wünsche mir einen Schicksalswink, der die bevorstehende Umerziehung meines Herzens revozieren würde. Warum muss nach dem Verlieben denn auch immer das Entlieben kommen?
Und warum können meine Gedanken nicht mal für eine Minute still stehen? GELIEBTE, GELIEBTE, GELIEBTE, schießt es mir immer wieder durch den Kopf. Ist es denn wirklich so schrecklich naiv, an die große, einzig wahre Liebe zu glauben? In einer Zeit, in der sich sogar die mächtigsten Männer der Welt doppelt einzudecken pflegen. Sind Männer so konzipiert, dass sie das Wort Treue inhaltlich nicht verstehen, so wie wir ihre Affinität zu Fußball nicht verstehen können? Das würde bedeuten, die Liebe ist ein Auslaufmodell, ähnlich wie die Dampflokomotive und der Videorekorder.
So weit, so kompliziert.
Aber was ist, wenn wir nun auf einmal wieder mit Dampflokomotiven fahren wollen, aber alle Züge sind schon abgefahren? Außerdem müssten wir doppelt so viele Frauen wie Männer haben, wenn jeder Mann eine Ehefrau und eine Geliebte hat. Oder gibt es dieses Modell auch anders herum? Hmmm. Und wenn ja, warum bin ich dann eine von zweien und nicht eine mit zweien?
An diesem Punkt steigt mein in Schampus schwimmendes Gehirn aus, und ich beobachte die Lichtstrahlen des Mondes, die auf dem Wasser der Isar tanzen.
»Jil?« Oh, nein. Das werden doch nicht schon wieder Inge und Bernd sein? Sie sind ein Paar, bei dem man auf den ersten Blick nicht genau weiß, wer von ihnen Inge und wer Bernd ist.
Ungünstigerweise sind sie auch noch die Trauzeugen meiner Eltern und überschütten mich den ganzen Abend schon mit rührseligen Geschichten aus der Jugend meines Vaters und meiner Mutter. Ich kann ja verstehen, dass sie mir das alles gern erzählen, aber dass sie mich jetzt schon in der dunklen Nacht bis auf diese Bank hier verfolgen, geht doch ein bisschen zu weit. Ich drehe mich resignierend um und –
»Was machst du hier?«
»Ich muss mit dir reden, bitte.«
»Worüber? Du bist verheiratet. Ein neues und nicht ganz unwichtiges Detail! Aber ich kann das nicht, Ben! Ich kann dich nicht teilen. Erst recht nicht mit Cathalina von Ocupenga.«
Ben versucht, nach meiner Hand zu greifen.
»Ich kann mich bei allem mit der zweiten Wahl zufrieden geben. Ich kaufe Kleider aus zweiter Hand und fliege zweiter Klasse, und ich kann Nudeln essen, wenn sie schon zweimal aufgewärmt wurden, aber in der Liebe ertrage ich die zweite Wahl nicht. Und ich glaube auch nicht, dass es sie da geben sollte.«
»Jil, bitte hör mir zu.«
»Warum sollte ich?«
»Weil du keine zweite Wahl bist. Im Gegenteil.«
Mein Herz schlägt schneller.
»Sag mir, warum musste ich mich in dich verlieben? Ich verfluche diesen Tag!«
»Nein. Bitte Jil!«
»Doch, das tue ich. Du hast gesagt, ich solle dir vertrauen. Du hast gesagt, du würdest auf mich aufpassen. Und du hastgesagt, du würdest mich nicht mehr loslassen! Aber weißt du was, ich brauche gar keinen, der auf mich aufpasst und mich festhält! Und ich brauche auch keinen, der mir erzählt, dass sein Badezimmer umgebaut wird und er deswegen seit Wochen im Hotel wohnt. So ein Quatsch! Ich stehe wirklich schon nicht mehr am Rande des Wahnsinns. Mittlerweile stecke ich MITTENDRIN! Na, wie gut, dass ich schon einen Psychiater habe!«
»Aber ich wohne wirklich im Kempinski! Jil, ich wusste einfach nicht, wie ich dir das alles sagen sollte. Ich meine, hättest du mir geglaubt, wenn ich dir gesagt hätte, dass ich Cathalina nur geheiratet habe, weil wir gut miteinander auskommen? Hättest du mir geglaubt, wenn ich dir gesagt hätte, dass mir die Bedeutung von Liebe nie wirklich klar war und dass wir nur geheiratet haben, weil Cathalina einen Mann und ich eine Familie und Kinder wollte?«
»Ich will das nicht hören!«
Ich weine. Ich weine unaufhörlich und schlage voller Wut auf Bens Brust ein. Ich kann seine Worte und seine Blicke nicht ertragen. Und der Verlauf der Dinge versetzt mir wieder und wieder einen Stich ins Herz. In meinem Kopf hüpft nur noch das Wort GELIEBTE, GELIEBTE, GELIEBTE auf und ab. Ben greift nach meinen Handgelenken und hält mich fest.
»Ich habe Cathalina schon vor einiger Zeit um eine Pause gebeten. Darum wohne ich im Hotel. Ich weiß, dass sie eine Scheidung schon aus gesellschaftlichen Gründen verhindern möchte, aber ich werde mich von ihr trennen.« Er blickt mich an, um sich zu vergewissern, ob ich ihn verstanden habe.
»Hörst du, Jil? Ich werde mich von Cathalina
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