CHAMSA - 5 Tage bis zur Ewigkeit (German Edition)
Körper.
Vorsichtig suchte Hakim sich einen Weg durch die Menge. Zur linken Seite bog er
in die Straße des ultraorthodoxen Wohnviertels ab, eine Abkürzung, wie er
wusste. Als sie an der Shul, der gottseidank unbeschädigten Synagoge
vorbeikamen, hob Hannah den Kopf. Sie war sich sicher, dass Hakim diese
Wohngegend etwas seltsam vorkommen musste. Selbst im nichtbombardierten Zustand
wirkte dieser Stadtteil auf einem Gojim, einen Nichtjuden, auf den ersten Blick
befremdlich.
Hier in dieser
abgekapselten, geschlossenen Gemeinde war es, als wenn die Zeit stehengeblieben
war. Männer in schwarzen Anzügen und Hüten hasteten eilig an ihnen vorbei, um zu
ihren Familien zu kommen. Mit dieser einfachen Einheitsbekleidung des frühen 19.
Jahrhunderts brachten sie ihre konservative Einstellung und die Abschottung
gegenüber der übrigen Welt zum Ausdruck.
Laut ihren Traditionen
ist es die Pflicht des Mannes, sich sein Leben lang dem Studium der heiligen
Bücher, den Talmud, zu widmen. Um sich auf das Wesentliche, die inneren
geistlichen Werte zu konzentrieren und sich nicht von verführerischen
Äußerlichkeiten ablenken zu lassen. Diese Männer nannte man chozer b´tschuvah –
der eine, der zurückkehrt um Buße zu tun. Hannah kannte sich in dieser Gegend
gut aus. Denn hier lebte die chassidische Gemeinde, zu der auch Joshua und seine
Familie gehörte. Und diese Familie hatte sie vor Jahren mit einer Wärme und
Herzlichkeit in ihrem bescheidenen Leben aufgenommen, die sinnbildlich für die
Gemeinschaft der ganzen Gemeinde stand. Plötzlich rannte aus einem Nebenweg eine
Gruppe schreiender Frauen und Kinder in ihre Richtung und Hakim presste sich mit
Hannah auf den Armen erschrocken in den Schatten einer Häuserwand.
Als sie an ihnen
vorbeiliefen, bewegte sich nicht ein einziges aschblondes Haar in ihren wie nach
einem einzigen Ebenbild geformten halblangen Frisuren. Mit sorgenvollem Gesicht
ging Hakim langsam weiter und küsste Hannah beruhigend auf die Stirn, als sie um
die Ecke gingen und einen eingestürzten Häuserblock sahen. Doch Hannah war auf
einmal wie erstarrt. Ihr Kopf ruckte hoch und ängstlich glitt ihr Blick zum Ende
der Straße.
Dort stand ein
altertümliches rotverklickertes Haus. Ein paar Holzstufen führten zur kleinen
Veranda hinauf. Die beiden Fenster rechts und links neben der Eingangstür waren
zerborsten, aber ansonsten schienen das Haus von Joshuas Familie und seine
Bewohner keinen größeren Schaden genommen zu haben. Tief atmete sie durch und
versuchte sich zu beruhigen.
Als Hakim in die Straße
ihres Viertes einbog, fragte sie erstaunt: »Woher wusstest du, wo ich wohne?«
Liebevoll küsste er sie auf die Stirn. »Der Wüstenfalke hat es mir verraten«,
flüsterte er an ihren Haaren. »Schon klar«, erwiderte sie und gab es auf, seine
Geheimnisse zu hinterfragen. So sehr sie ihn auch liebte, seine dunkle,
geheimnisvolle Seite war noch immer ein Buch mit sieben Siegeln für
sie.
Nachdem sie ihm die
Schlüssel überreicht hatte, schloss Hakim die Haustür auf und ging ohne zu
fragen die Treppe hoch. Zielsicher hielt er vor ihrer Zimmertür an, öffnete sie
mit dem Ellenbogen und ließ Hannah vorsichtig aufs Bett gleiten. Mit müden Augen
sah Hannah ihn fragend an. »Musst du schon gehen?« Ein zartes Lächeln erhellte
sein besorgtes Gesicht.
»Nein, nicht
sofort, wenn du möchtest, bleibe ich noch ein wenig.« Lautlos legte er sich
neben sie. Dankbar kuschelte sie sich in seine Arme und schmiegte ihr Gesicht an
seinem sehnigen Bauch. Als ihre Finger sanft kreisend seinen Oberkörper
streichelten, erstarrte Hakim. Blitzschnell schloss sich seine Hand um ihre und
hielt sie fest.
»Hannah, was machst du
da?«, stieß er mit zusammengebissenen Zähnen hervor. Leise lachte sie auf und
schien von seinem Gefühlsausbruch ganz unbeeindruckt zu sein.
»Ich streichele den
Mann, den ich liebe«, murmelte sie mit versonnener Stimme. »Ja, das ist mir
nicht entgangen«, flüsterte er heiser. Energisch griff er nach ihren Schultern,
zog sie auf den Rücken und warf sich halb über sie, sodass sie unter ihm
begraben war. Seine Augen waren vor Leidenschaft verdunkelt und er hielt ihren
Arm weiterhin eisern umklammert.
»Du hast eben erst eine
Schmerzattacke überstanden und weißt genau, dass du danach jede Aufregung
vermeiden musst. Also hör sofort damit auf, mein Blut in Wallung zu bringen.
Oder möchtest du mich quälen?«, fragte er
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