Chandler vom Smaragd-Atoll
Wasserwelten war, die Farbenpracht der Korallenriffe, ihr wisst ja.“
Alle nickten. Warum hatten sie dieses Wasserparadies nur verlassen? Was hatte sie wie Muscheln an diesen Strand gespült?
„Dort unten in den Kristallpalästen wussten wir alles. Wir waren mit uns ins Reine gekommen. Alles Belastende war von uns abgefallen. Stimmt?“
Wieder nickten alle.
„Wir wussten, woher wir kamen, wo wir waren und die gruppendynamischen Sitzungen in den Kristallsälen zur Bewusstseinserweiterung brachten uns eine Ahnung von der absoluten Erkenntnis des Seins.“
Jetzt stöhnte Alessandro auf. „Ich kann mich nur nebulös daran erinnern. Alles in mir ist am Zweifeln. Daher weiß ich nicht, ob ich hier bleiben soll oder zurück soll. Wieso bin ich hier, was soll ich hier? Bin ich denn nicht mehr als eine Muschel, die die Meeresströmung an Land spült? Paul sagt uns, dass hinter den Obsthainen etwas ist, wofür wir bestimmt sind. Soll ich das glauben, wo ich mich doch so zurücksehne zu den Korallenriffen, zu meinen Freunden, die ich dort hatte?“
„Schwimm doch zurück“, schlug Jannik vor.
„Jederzeit. Aber auch hier ist es nicht schlecht. Besonders seit mein lieber Schüler Archibald wieder bei mir ist. Und auch hier habe ich Freunde. Ihr seid doch meine Freunde, oder?“
„Was war deine Aufgabe in den Unterwasserwelten“, wollte Paul nun von Alessandro wissen.
„Ich war Musiklehrer. Und Dirigent. Drei Chöre von 10- bis 15-jährigen habe ich trainiert. Außerdem habe ich den 1. Meister in der großen Orgel-Klangmuschel und hatte 10 Schüler im Einzelunterricht. Und Archibald war einer meiner Chorschüler. Er hat eine sehr schöne Stimme.“ Er tätschelte dem leicht dösenden Archibald liebevoll die Schulter. „Was war deine Aufgabe Paul?“
„Therapeut und früher Physiker. Aber Physik wird in den Kristallwelten nicht benötigt. Dabei erinnerte ich mich ständig an alles, was ich auf der Erde jemals über Physik wusste und vormalige Probleme schienen plötzlich lösbar. Also gut, ich war gerne Therapeut und ich liebte meine Arbeit als Kursleiter für Emotionsbelastungen und speziell meine Arbeit als Moderator zur Bewältigung emotionaler Störungen in den Erinnerungsmustern.“
„Ahh.. mit diesen Dingen hatte ich nie etwas zu tun,“ sagte Alessandro. „Meine Schüler waren alle kerngesund.“
Susanne war aufgestanden. Sie blickte zum Meer. Dann Richtung Land. Drehte sich wieder zum Wasser. Ging ein paar Schritte Richtung Ufer. Paul war alarmiert. Denn diese Situation hatte er schon oft erlebt.
„Willst du uns wirklich verlassen, Susanne?“
Sie wirkte unschlüssig.
„Komm lass uns noch einmal versuchen, wieweit du es schaffst.“ Er legte eine Hand leicht um Susannes Oberarm und verursachte, dass sie sich zum Land drehte. Gemeinsam gingen sie Richtung Obsthain. Helen folgte ihnen. Aber Susanne schaffte es nicht. Ohne Paul und Helen, die für Nahrung sorgten, hätte sie ausschließlich von im niedrigen Wasser zu findenden Muscheln, Austern und Krabben leben müssen und wäre deshalb schon längst zurück zu den Korallenriffen geschwommen, zurück zu den verlockend duftenden Obstgärten der Atolle, mit den saftigen Beeren und Früchten, zurück zu den Meeresfrüchten, dem Meeressalat, Meeresgemüse und anderen Meeresköstlichkeiten, die es nur in den Gärten an den Korallenriffen gibt und auf den davor gelagerten Atollen, wo alles so üppig wächst, wie hier am Traumstrand, ohne dass eine unsichtbare Barriere den Zugang behindert.
Helen und Paul brachten Susanne zurück zur Gruppe. Dann gingen beide wieder los, unter den Obstbäumen hindurch, an den Beerensträuchern vorbei. Schließlich standen sie zwischen den Olivenbäumen und sahen auf die flache unendliche Ebene.
„Könnte dort London liegen“, fragte Helen.
„Ich glaube nicht. Aber es könnte dort eine Verbindung nach London geben.“
„Ein Raumschiff oder was?“
„Helen, wir sind doch nicht mit einem Raumschiff hierher gekommen. Hast du vergessen, worüber ich vorhin gesprochen habe.“
„Meinst du den Nicht-Lokalen-Raum?“
„Ja.“
***
Der nächste Morgen begann, und wie immer war es Paul, der wach wurde, als alle anderen noch träumten. Er ging kurz am Strand entlang und registrierte, dass es aufgrund des ruhigen Wassers in der Nacht keine Veränderungen gegeben hatte. Es waren keine neuen Schläfer angespült worden und daher auch keine Träumer weggespült worden, denn die Flut war in der Nacht nicht hoch
Weitere Kostenlose Bücher