Chandler vom Smaragd-Atoll
gruppendynamischen Sitzungen in den Sälen der Erkenntnis nicht diesen feudalistischen Unsinn ausgetrieben?“
Archibald wurde knallrot.
„Sorry, Sorry. Es sollte nicht so klingen, als wenn ich Wimbledon und Ascot vermissen würde. Ich dachte wirklich nur daran, dass dort die Erdbeeren mit Sahne immer am besten schmeckten.“
Paul freute sich über den Disput, zeigte er ihn doch, dass Archibald und Aki immer häufiger geistig anwesend waren und sie es demnach schaffen könnten. Schön für Helen, die für beide eine intensive Zuneigung empfand.
Aber Archibald legte noch einen drauf.
„Außerdem vermisse ich WoW.“
„Was ist das?“ fragte Alessandro.
„Ich hatte den 89. Level erreicht und meine Gilde war unschlagbar.“
„Oh, oh, “ sagte Helen und rümpfte die Nase. „Sag’s ihm besser nicht, Archibald.“
Paul wusste worum es ging. Er hatte genügend Patienten behandeln müssen, die an unbewältigten irdischen Suchtproblemen litten. Er merkte aber, dass Archibald Alessandro nur necken wollte.
„Also, nicht dass ihr denkt, ich habe die ganze Zeit vor WoW gehangen. Nein, ich war gut in der Schule, außerdem gehörte ich zum Tennisteam und zum Poloteam. Wettbewerbe faszinierten mich einfach und ich war gut darin, in allen drei Disziplinen.“
Alessandro fragte nicht weiter nach, was WoW wohl gewesen war. Er hätte mit der Antwort auch nicht viel anfangen können, da es zu seiner Zeit auf der Erde derartige Computerspiele noch nicht gab.
„Du bist allerdings auch ein sehr guter Chorsänger“, lobte er ihn.
„Mein Lieblingssport war Beach-Volleyball“, sagte Aki. Sie blickte sich um. Rechts und links weißer Sandstrand, so weit die Augen reichten. Unberührt. Keine Träumlinge zu sehen. Viele waren seit der letzten Flut wieder ins Wasser gegangen, zurück zu den idyllischen musikdurchfluteten Korallenriffen mit ihren unterirdischen illuminierenden funkelnden Kristallstädten.
Chandler vom Smaragd Atoll
Bewegte sich da nicht etwas? Ganz unten am Strand, im Wasser, das sich, wie immer bei Ebbe, weit zurückgezogen hatte. Tatsächlich, ein junger Träumling, der auf Knie und Hände gestützt war und sich nun nach oben stemmte. Nun stand er für einige Sekunden und sah in ihre Richtung. Sie machte die anderen darauf aufmerksam. Da fiel der Junge schon wieder in sich zusammen.
„Ich helfe dir“, sagte Archibald sofort, stand eher als Aki, ergriff ihre Hände und zog sie hoch. Beide rannten los. Paul sah ihnen zufrieden hinterher. „Aki und Archibald machen sich wirklich gut“, sagte er leise zu Helen.
Als beide den Träumling erreichten, lag dieser flach auf dem Bauch im Wasser. Sein Kopf lag auf seinen verschlungenen Armen. Er war wach und sah ihnen entgegen.
„Ich hab mich verirrt“, sagte er. „Wie komme ich zurück zum Smaragd-Atoll?“
„Keine Ahnung“, antwortete Archibald. „Hier ist der Traumstrand. Und das da im Meer sind die Onyxriffe. Von dort stammen wir hier alle. Wie heißt du?“
„ Chandler. Ich bin Chandler. Könnt ihr mir aufhelfen. Ich fühle mich total schlapp“. Er stemmte sich auf die Knie und versuchte, sich aufzurichten. Schon stand er unsicher.
„Ich glaube ich habe seit Ewigkeiten nichts gegessen.“
„Da bist du bei uns genau richtig“, sagte Aki. „Wir haben noch genug Brotfrucht übrig“.
Auf der Hälfte des Weges zur Palmengruppe, kam ihnen Paul entgegen. Aki überließ ihm gerne den Arm des Neulings, denn dieser lastete immer schwerer auf ihrer Schulter.
Sie lief voraus zur Gruppe, zu Helen. „Das ist Chandler. Ich habe ihn zuerst gesehen.“
Chandler war etwa so groß wie Archibald, aber viel schlanker. Er hatte glatte hellblonde Haare, die am Nacken von einem Schmuckband zusammengehalten wurden. Kaum saß er im Schatten der Palmwedel, reichte Aki ihm auf einem Muschelteller eine große Portion Brotfrucht mit Erdbeeren als Beilage. Chandler riss ihr den Teller aus der Hand und stopfte sich alles hungrig in den Mund.
„Was bin ich ausgehungert. Hab keine Ahnung, wie lange ich nichts gegessen habe.“
„Was war denn?“ erkundigte sich Paul.
„Er kommt vom Smaragd-Atoll“, informierte ihn Aki.
„D as Smaragd-Atoll ist sehr weit von hier“, sagte Paul. „Wie viele Tage warst du unterwegs?“
„ Tage oder Wochen? Vermutlich Wochen. Eigentlich dreht sich alles. Mir ist seltsam zumute. Ich glaube mir wird schlecht.“ Dann erbrach er sich. Anschließend schlief er 24 Stunden an einem Stück durch.
***
Paul
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