Change for a Kill
Zeichen von Unmut zeigen, würden sie sich sofort in Geparde verwandeln und auf den Rücken drehen. Dylan war kein Alleinherrscher, wie es bei Löwenrudeln üblich war, aber in Momenten wie diesen unterwarfen sich seine Gefährten bedingungslos. Nur auf diese Weise konnten sie sich in diesem dicht besiedelten Hexenkessel von vielen Katzenwandlergruppen auf geringem Raum behaupten. Sie mussten einander vertrauen, sonst würde das Rudel auseinanderbrechen. Als Einzelgänger wären ihre Chancen gering.
„Wie geht es ihm?“, fragte Dylan sanft und berührte die beiden sehr jungen Männer an den Schultern. Sie waren Brüder, Teenager, die von ihrer Mutter viel zu früh auf die Straße gesetzt worden waren.
„Er ist versorgt, wach und scheint stinksauer zu sein.“ Aaron blickte zu ihm auf, und als Dylan ihm ermutigend zunickte, breitete sich das für Aaron typische Grinsen auf seinem Gesicht aus. „Bei Adlern weiß man das natürlich nie genau, die sind ja ständig so grantig.“
Seufzend wuschelte Dylan ihm durch die sandfarbenen Haare, ein deutliches Signal an das gesamte Rudel, dass er ihnen verziehen hatte. Innerlich stählte er sich für die Auseinandersetzung mit Sam. Der Adlerwandler würde sich hoffentlich überzeugen lassen, dass die erlittene Folter nicht weiter böse gemeint gewesen war und Dylan keinen Verrat beabsichtigt hatte …
Samuels Muskeln wollten noch immer nicht aufhören zu krampfen und seine Rückenwirbel standen in Flammen. Eigentlich brannte sein gesamter Körper. Es würde erträglicher werden, sobald er sich verwandelt hatte – das weniger komplexe Gehirn des Steinadlers quälte sich zumindest nicht so stark mit Sinnfragen, auch wenn er seine menschlichen Erinnerungen und Gedanken nicht verlor. Da er darauf hoffte, dass Dylan zu ihm kommen und mit ihm reden würde, wartete er auf ihn und verzichtete auf die Verwandlung. Die beiden jugendlichen Raubkatzen, die ihm geholfen hatten, waren offenkundig beschämt über ihr eigenes Verhalten gewesen und hatten kaum gewagt ihn anzufassen. Der jüngere der beiden hatte sogar eine Entschuldigung gestammelt. Vielleicht gab es also eine Erklärung für all das, was geschehen war. Vielleicht war es ein schrecklicher Fehler gewesen statt einer gezielten Attacke gegen ihn. Zumindest war er nicht gefesselt. Er befand sich in einem winzigen, fensterlosen Raum, mit extrem dicken Wänden, die kein Geräusch von außen hineindringen ließen. Die schwere Eisentür beschönigte nicht, dass es sich um ein Verlies handelte, erhellt von einer einzelnen Neonleuchte an der Decke. Samuel lag bäuchlings auf einer Metallpritsche, es gab keine weiteren Gegenstände, nicht einmal eine Toilette oder ein Waschbecken. Er hatte nichts als die Hoffnung, dass man ihn nicht hier drinnen verrotten lassen würde.
Falls das geschah, was würde es für den Frieden zwischen Vogel- und Katzenwandlern bedeuten?
Nichts, dachte Samuel bitter. Er war zu unwichtig, um einen Krieg zu begründen. Seine Leute würden nicht einmal Nachforschungen anstellen, sofern man seine Leiche innerhalb eines vernünftigen Zeitraumes aushändigte. Die Behauptung, dass er überwältigt und von irgendeiner Säugetiergruppe umgebracht wurde, würde reichen. Ohne charakteristische Spuren an seinem Körper gäbe es keine Möglichkeit mit Sicherheit zu sagen, durch wessen Hand er gestorben war. Ja, es würde zu Spannungen kommen, Hilfsgesuche würden zukünftig abgelehnt werden. Das war’s.
Während Samuel wartete, zermarterte er sich das Hirn, überdachte jegliche Konfrontation zwischen Adlern und Geparden, von der er jemals gehört oder die er selbst erlebt hatte. Selten, wie die Gepardenwandler waren, gab es da nicht viel. Dennoch, vielleicht existierte tatsächlich ein Grund, warum Dylans Rudel ausgerechnet ihn gewählt hatte, um Rache zu nehmen.
Nein, da war nichts. Es sei denn … Samuel glaubte sich vage an etwas zu erinnern. Etwas, das vor vielen Jahren geschehen war. Falls seine Vermutung stimmen sollte, dann … Es würde Tyrells Hass erklären, und die Missbrauchsdrohungen.
Die Tür öffnete sich nahezu lautlos, als Dylan hereinkam. Allein.
Mutlos wandte Samuel den Kopf zur Wand. Er wollte nicht wirklich wissen, ob sein Verdacht stimmte. Im Moment wäre er sogar dankbar, wenn man ihn jetzt töten würde, die Schmerzen waren weiterhin so intensiv, dass es ihm den Atem nahm. Er war sich sicher, dass Dylan ein ehrenwerter Mann war, der nichts von Auge um Auge, Zahn um Zahn hielt.
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