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Change

Change

Titel: Change Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luisa Raphael
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sich, um seine Augen offen zu halten. Ein letztes Mal flüsterte er mir Worte zu:
    „Küss mich … zum letzten Mal…“
    Was konnte ich anderes tun als seinem letzten Wunsch nachzukommen? Ich unterdrückte meine lauten Schluchzer, nahm mich zusammen und beugte mich zu dem Liegenden hinab. Meine Lippen fanden seine. Sie waren beinahe kalt und starr. Keine Reaktion kam von ihm, ich sah, wie seine Augen die in ihnen wohnende Wärme verloren und langsam erloschen. Ich spürte keinen Puls mehr, und kein Atemzug streichelte mein Gesicht. Langsam löste ich mich von seinem kühlen Mund. Er war tatsächlich tot.
    Jetzt sah ich auch den dunklen Fleck auf seiner Jacke, das warme Blut glänzte leicht im Licht der Straßenlampe. Es sah aus wie schwarzes Gift Die dunkelblauen Haare absorbierten das wenige Licht, strahlten Unnatürlichkeit aus. Es war mir vorher noch nie aufgefallen, wie kalt diese Farbe wirkte – wie unlebendig. Mikes Augen blickten in den Himmel, dorthin, wo er jetzt vermutlich sein würde. Falls es so einen Ort geben würde – doch falls es Himmel und Hölle gab, so hatte es vermutlich niemand mehr verdient, in den Himmel zu kommen wie er. Er war gegangen. Für immer. Weg. Und ich war hier geblieben. Ohne ihn.
    Mein schmerzerfüllter Schrei drang durch die Straßen, durchdringend und laut, scheinbar niemals endend. Ich schrie alle Verzweiflung, alle Trauer, allen Hass über die Ungerechtigkeit der Welt aus mir heraus.
    Ich schrie, weil mich der Verlust so schmerzte. Ich schrie, weil ich das verloren hatte was mir am meisten auf dieser verdammten Welt bedeutet hatte. Ich schrie, weil ich nicht wollte, dass das wirklich wahr war. Ich schrie solange, bis mir die Stimme versagte und ich niedergeschlagen neben Mike zusammensackte. Ich wollte aufgeben – Mike folgen. Sofort. Doch ich tat es nicht.
    Erkenntnis schmeckte bitter. Sie schmeckte nach Tod – nach einem nahenden Ende. Ich hatte nicht zusehen wollen, doch dann tat ich es doch. Nur um am Ende genauso wie Aiden zusammen zu brechen und die Tränen ungehindert laufen zu lassen. Ich wusste nicht, um was ich alles weinte – um die Tatsache, dass Luzifer gewonnen hatte und ich ihm geholfen hatte, indem ich Mike Aiden verteidigen ließ. Der Verlust seiner Liebe war ein ausreichender Schritt, um den sensiblen Jungen völlig zu brechen – weder Drogen noch Missbrauch hatten dies annähernd perfekt vollenden können.
    Vielleicht weinte ich aber auch darüber, dass nicht nur Aidens und Mikes Ende besiegelt worden war – sondern auch mein eigenes. Denn ich hatte Regeln gebrochen und nun wusste Luzifer dies auch – ich würde fallen, seine letzte Bemerkung zu mir hatte dies bestätigt.
    Vielleicht weinte ich auch nur um den Verlust eines unschuldigen, wunderbaren Menschen. Um Mike.
    Doch selbst jetzt konnte ich nicht einfach aufgeben – ein aufbegehren wuchs in mir, mit jedem Schluchzer wurde es stärker. Eine letzte Aktion konnte ich noch tätigen, noch blieb mir etwas Zeit. Und ich würde alles versuchen, um wenigstens Aiden zu retten.
     

31. Kapitel
     
     
    Oktober 1994 – Aiden
     
     
    Die Welt hatte sich in Grau aufgelöst. Schmerzendes, zeitgleich betäubendes Grau, das mich nichts anderes wahrnehmen ließ, als diese Kälte, diesen Verlust, diese Pein.
    Mein gesamter Körper fühlte sich an wie eine einzelne blutende Wunde. Man hatte mir Mike genommen. Man hatte mir den Menschen genommen, der mir wichtiger als mein eigenes Leben geworden war.
    Dunkelheit – lebendig wabernd, wie als würde sie atmen, umgab mich. Warm und angenehm war es hier, doch meinen inneren, alles andere betäubenden Schmerz konnte nichts durchdringen – ich nahm nichts anderes wahr außer diese angenehme, warme Dunkelheit. Zum Glück konnte ich an diesem Ort, an dem ich mich befand, nicht weinen – sonst würden mir die Tränen ununterbrochen über die Wangen laufen. Doch irgendetwas verhinderte, dass meine Tränen wie gewohnt flossen – der Brunnen schien versiegt, nachdem die Quelle drei Tage und Nächte ununterbrochen gesprudelt hatte. So blutete ich innerlich, musste mich stark zusammenreißen, um nicht sofort zusammen zu brechen. Es war die schlichte Tatsache, dass Mike nicht mehr war – das er für immer gegangen war, die mich in so ein Loch stürzen ließ, aus dem es kein Entkommen gab.
    Wie sollte ich nun weiter machen? Ich konnte nicht – Mike war alles gewesen, an dem ich mich festgehalten hatte – er war mein Lebenssinn gewesen, der Grund, warum ich

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