Change
die ich noch alles gab. Eine Sache, die mich aufrecht hielt und mir Ansporn war, weiterzumachen. Eine Sache, in der ich wirklich Ich sein konnte, unverfälscht, mir selbst treu. Nur eine Sache, in die ich meine Gefühle und mein Herz legen konnte. Die Musik. Und damit verbunden meine Band ‚Darker than Dust‘.
Obwohl ich normalerweise sehr zurückhaltend war, ließ ich mir es nicht nehmen, zusammen mit Ash, Mace und Jason, einen Liveauftritt wahrzunehmen. Unsere Chance auf einen Durchbruch würde das nicht bedeuten, aber ich wollte es. Ich wollte allen zeigen, was ich konnte und wie ich es konnte.
Und so stand ich, mit halb geschlossenen Augen und einem Gefühl der Berauschtheit in mir, auf der Bühne. Mein Blick glitt über die verschwommene Menge, ich konnte kein scharfes Bild erkennen, da ich meine Brille sicherheitshalber abgesetzt hatte. Der Schweiß lief mir aus allen Poren und hinterließ dunkle Spuren auf meinem Shirt, ich bemerkte es nicht einmal. Auf meinen Lippen die selbstverfassten Lyrics über Leid und Schmerz, sang ich mit meiner emotionalen, reinen Stimme. Oder ich schrie, Kraft in meine seidenweiche Stimme legend, die trotz meiner hinausgeschrienen Wut ihren speziellen Klang behielt.
Und ich spürte die Euphorie, die mich währenddessen durchströmte. Das hier wollte ich, das hier war ich. Endlich fühlte ich mich komplett, geheilt. Niemand konnte mich hier verletzen, niemand mir wehtun wie die zwei Typen vor dem Konzert, die sich an mir abreagieren mussten. Beinahe hatten sie es geschafft, dass ich den Auftritt abgesagt hätte. Doch zum Glück hatte ich mich anders entschieden.
Man sah die Verletzungen sowieso kaum. Ein paar blaue Flecke - unter der Kleidung verborgen und unsichtbar. Das blaue Auge - aus dieser Entfernung nicht genau zu erkennen. Die verletzte Lippe, die durch einen Schlag von einem bulligen Typen aus meiner alten Schule stark geblutet hatte und mich auch davon abgehalten hatte, mein Piercing zu tragen, war auf diese Distanz ebenfalls nicht zu bemerken.
Anderes war jetzt wichtiger.
Die Songs, die meine Seele berührt hatten und es gerade wieder taten. Die Songs, die so viel über mich und meine Gefühle verrieten und doch kryptisch blieben. Mein wahres Wesen. Die Musik.
Ich ging komplett in ihr auf, lief wie wild hin und her, stellte mein Haarstyling auf die Probe. Meine blonden Haare lagen schon bald wirr an meinem Kopf, ich sprang auf der Bühne herum und schrie meinen gesamten Hass, mein Leid und meinen Ärger in die Welt hinaus. Ich sprühte geradezu vor Energie. Energie, die ich an die graue, gesichtslose Menge der Zusehenden abgeben wollte. An jeden Einzelnen, der zuschaute. An die wenigen Jugendliche meiner neuen Schule, mit denen ich mich gut verstand. An die Jungen und Mädchen, die mich zwar nicht als Freund sahen, aber mich respektierten und sich nicht an der Hetze gegen mich beteiligten. An alle! Auch an Mike. Sofern er da sein sollte. Auch wenn ich nicht genau wusste, warum mir dies wichtig war.
Viel zu schnell war unser Auftritt wieder vorbei und wir verschwanden mitsamt unseren Instrumenten von der Bühne, um Platz für unsere Nachfolger zu schaffen. Weil ich kein Instrument hatte, das ich verstauen musste, half ich Ash beim Abbau seines Schlagzeugs, dass er in Windeseile von der Bühne schaffte.
Im schwach ausgeleuchteten Bereich hinter der Bühne hatte Mace den Jeep seines Vaters rückwärts, sodass wir bequem unser Equipment einladen konnten. Dieser abgesperrte Bereich war ebenso wie die Bühne nur behelfsmäßig gebaut und überall lagen Kabel und anderes Gerümpel herum, dem ich aus dem Weg gehen sollte.
Schließlich hatten wir den größten Teil unserer Ausrüstung verstaut und ich spürte bereits das bekannte Gefühl, das mich auch nach einem Trip wieder zurück in der Realität empfing. Ein Gefühl des Zurückfallens in die graue, unmenschliche Realität.
Es war Zeit zu gehen. Ich wollte nicht, dass die hier Anwesenden Zeugen eines Zusammenbruchs von mir wurden.
Ash und Jason unterhielten sich noch angeregt über den Auftritt und ein paar Mädchen, die Ash im Publikum ausgemacht haben wollte, Jason sie aber nicht gesehen hatte und deshalb Zweifel an der Behauptung des Drummers hegte, als ich mich verabschiedete. Die beiden reagierten kaum, sodass ich mich zu Fuß losmachte, hinein in die Dunkelheit.
Gerade rechtzeitig, denn aus der Ferne hörte ich, wie eine dritte Person Ash und Jason ansprach. Eine sehr bekannte Stimme stellte sich mit „Hi,
Weitere Kostenlose Bücher