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Change

Change

Titel: Change Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luisa Raphael
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verstärkte somit nicht nur optisch meine Schutzwälle. Ich hatte das Gefühl, mit vor der Brust verschränkten Armen allen Wortgefechten besser gewachsen zu sein. Böse Wörter glitten so einfach an mir ab. Ich wusste zwar nicht, ob Mike derartiges im Sinn hatte, doch für alle Fälle war ich gerüstet.
    Mike wurde von Sekunde zu Sekunde unruhiger, ungehaltener. Seine Körpersprache verriet mir viel, doch noch mehr seine Stimme, die nicht mehr warm und ruhig klang, sondern drängend und hart. Härter, als ich es bisher von ihm gewohnt war. Etwas regte sich in meinen Erinnerungen. Vielleicht hatte ich ihn doch schon einmal mit dieser Stimme sprechen hören. Denn ich war nicht erschrocken, fast schon hatte ich erwartet, dass zu Mike diese stählerne Stimme gehören konnte. Sie harmonierte mit meinen Vorstellungen zu ihm bedeutend besser als diese Samtstimme, der ich nichts glauben konnte, weil sie eben nicht passte. Doch jetzt war die Scharade vorbei, die er bisher - aus welchem Grund auch immer - aufgezogen hatte und er durchbrach die Stille der Nacht erneut.
    „Ich versteh dich nicht. Was habe ich dir denn getan, dass du so feindselig mir gegenüber bist? Ich bin zufällig neu hier und denke, ich hab einen neutralen Start verdient. Es ist mir egal, was die anderen mit dir machen, ich habe damit nichts zu tun. Also, können wir noch mal von vorn beginnen? Und diesmal ohne Vorurteile mir gegenüber?“
    Was wollte er nur? Einen Neuanfang? Warum? Was war ihm so wichtig daran? Warum konnte Mike mich nicht einfach in Ruhe lassen und ignorieren, so wie der Rest der Welt auch? Es war ja schön, dass Mike sich nicht den anderen anschloss, aber warum beharrte er darauf, mit mir ins Gespräch zu kommen? Warum konnte er nicht verstehen, dass ich keine Lust auf neue Bekanntschaften hatte? Da ss ich allen Menschen gegenüber sehr misstrauisch war? Wie stellte er sich denn einen ‚Neuanfang’ vor? Wir konnten ja schlecht so tun, als hätten wir uns bisher nicht gekannt. Ich konnte schlecht so tun, als wäre ich ein völlig normaler Mensch. Nein, ich war nun mal Aiden, ein ziemlich misstrauischer Freak, und so verhielt ich mich auch. Nein, Mikes Vorschlag war Schwachsinn.
    Und so war der bittere Unterton in meiner Stimme deutlich herauszuhören, als ich fragte: „Mit was sollen wir bitteschön von vorn beginnen, hm?“.
    Daraufhin war Mike still. So ganz geheuer war er mir dann doch nicht, weshalb ich besänftigend nachschob: „Wenn du mir nur mal sagen würdest, was du willst?“
    „Kann ich mich nicht mal freundlich mit dir unterhalten? Übrigens warst du fantastisch auf der Bühne. Ich war selten so hingerissen von einem Sänger. Du hast echt eine außergewöhnliche Stimme.”, antwortete Mike langsam und blickte mich dabei fest an. Ich konnte den intensiven Blickkontakt nicht halten und wich ihm aus. Selbst im Dunklen glühten Mikes Augen gewissermaßen.
    „Danke. Aber spar dir das für die Zukunft. Und es tut mir leid, dass ich manchmal etwas misstrauisch und ruppig bin. Aber die wenigsten wollen sich ‚nur’ freundlich mit mir unterhalten.“, versuchte ich ihm die Antwort zu geben, die der Wahrheit wohl am nächsten kam. Warum ich mich dazu entschied, jetzt plötzlich meine schützende Festung zu verlassen, wusste ich nicht. Irgendwie lag es an dem Moment. Ich löste meine verschränkten Arme und beschloss, ihm wenigstens ein bisschen zu vertrauen. Meine Stimme wurde dabei ungewollt schwächer, am Ende flüsterte ich nur noch. Doch Mike schien es verstanden zu haben.
    „Manchmal?“, fragte Mike entgeistert, seine überspitze Betonung wäre vielleicht lustig gewesen, doch mir war nicht zum Lachen zu Mute. Seinen Sarkasmus fand ich nicht witzig. Ich bedachte ihn eines Blickes, der genau das zeigen sollte.
    „Du machst es aber auch nicht gerade leicht für mich.“, erwiderte ich, kaum noch zu verstehen, so leise flüsterte ich. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich mit mir selber sprach oder mit ihm.
    „Sorry, ich wollte lustig sein.“
    Sollte das eine Entschuldigung sein? Wofür? Neugierig sah ich ihn an. Einige Zeit sagte keiner von uns etwas, wir standen stumm da und betrachteten den jeweils anderen. Die Stille wurde nur durch ein vorbeifahrendes Auto unterbrochen, dem Mike einen kurzen Blick hinterher warf und sich dann wieder mir zuwandte. Doch ich stand nicht mehr an derselben Stelle. Etwas, das schwer in Worte zu fassen war, hatte mich dazu getrieben, den geringen Abstand zwischen uns zu überbrücken,

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