Change
immerhin war es besser als auf dem dreckigen Pflaster zu liegen.
„Nein, es geht schon … muss nur kurz warten … bis es nicht mehr so wehtut … ich komme auch ohne dich klar … du kannst gehen …“, antwortete ich langsam, wischte mit Mikes Taschentuch das restliche Blut weg und versuchte, meinen hektisch pumpenden Brustkorb zu einer langsameren Frequenz zu bewegen. Dabei bemerkte ich, wie Blut langsam durch den grauen Stoff meines Shirts weichte und sich in einem größer werdenden Fleck ausbreitete. Ich schluckte und verdrängte den Gedanken an die Wunde, die vermutlich nicht nur durch Tritte und Stöße entstanden war.
Stattdessen legte ich den Kopf in den Nacken, um den Blutstrom aus meiner Nase zu stoppen und versiegen zu lassen. Um die grauen, speckigen und Graffiti-Besprühten Wände und die allgemeine Trostlosigkeit nicht länger ansehen zu müssen, schloss ich die Augen. Viel lieber hätte ich ja Mike angesehen, der mit seinen schwarzen, kunstvoll verwuschelten Haaren und den ebenfalls schwarzen, weiten Klamotten im Hiphop-Style ein weitaus besserer Anblick war, selbst wenn ich ihn nicht hätte leiden können. Doch das konnte ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Einerseits nervte er mich ja schon und ich fürchtete mich auch ein wenig vor ihm, weil ich ihn überhaupt nicht einschätzen konnte. Andererseits war er eine bedeutend angenehmere Gesellschaft als der Rest der Welt, abgesehen von wenigen Ausnahmen.
Mikes Räuspern ließ mich den Blick auf ihn richten. Mit warmer Stimme versuchte er mich ein zweites Mal, davon zu überzeugen, ihn den Notarzt rufen zu lassen.
„Aber Aiden, ich kann dich doch so nicht allein lassen. Du kommst eben nicht zurecht. Also rufe ich entweder einen Krankenwagen für dich oder ich helfe dir, nach Hause zu kommen wenn deine Verletzungen nicht so schlimm sind.“
Innerlich fluchte ich, als ich vor diese Wahl gestellt wurde. Mike fing an, mich zu nerven. Und zwar immer mehr. Wie konnte ich dafür sorgen, dass er mich alleine ließ? Ich musste wohl wieder fies werden. Das sollte mir ja nicht schwer fallen, ich musste mir nur ins Gedächtnis rufen, was Mike vor einiger Zeit veranstaltet hatte - mit mir!
Wer weiß, vielleicht suchte er meine Gegenwart ja nur auf, um noch mehr solchen Mist zu fabrizieren. Das redete ich mir zumindest ein und konnte genug Feindseligkeit in meine Stimme legen, als ich ihn anblaffte: „Hau ab, Ishida! Ich brauch keine Hilfe … und von dir erst recht nicht.“
Mike runzelte jedoch nur die Stirn, was ihn ziemlich einschüchternd aussehen ließ und antwortete dann übertrieben bissig: „Es tut mir ja Leid, das gerade ich dich gefunden habe. Aber ich kann dich nicht alleine lassen. Du bist schwer verletzt und …“
„Verstehst du mich nicht? Ich brauche keine Hilfe! Verzieh dich!“, stoppte ich ihn, verzog währenddessen gequält das Gesicht, weil es mich unnötig Kraft kostete, meine Stimme aggressiv klingen zu lassen. Ich hatte noch nicht genug Luft dafür. Doch ich musste Mike loswerden, der zum Glück keinen Gedanken mehr daran verschwendete, einen Notarzt zu rufen. Jetzt musste nur noch er verschwinden und alles wäre super.
„Jetzt komm mal wieder runter. Ich versteh ja, wenn du mich nicht leiden kannst, aber ich werde trotzdem nicht abhauen. Weil ich dich nicht hier liegen lassen kann, kapiert?“, äußerte sich Mike, mittlerweile nicht mehr mit dieser warmen, beruhigenden Stimme sondern etwas aggressiver. Ich machte ihn aggressiver. Aber das war nicht schlecht, wenn er sauer wäre, würde er mich sicherlich in Ruhe lassen.
Also machte ich weiter mit meiner Strategie, Mike zu vergraulen.
„Fuck, was soll der Scheiß? Kannst du mich nicht in Ruhe lassen?“, wollte ich ihm eigentlich in meiner aggressivsten Schreistimme entgegen donnern, doch trotz der eigentlich derben Worte entrang sich mir nur ein kraftloses Flüstern.
Mike schwieg. Seine dunklen Augen beobachteten mich, ich konnte sie auf mir spüren. Sie machten mich nervös - und ich fürchtete, das Mike sich gerade etwas einfallen ließ, was es mir unmöglich machte, ihn zu vertreiben. Warum konnte der mich nicht hier allein lassen? Wieso war er nur so verdammt hartnäckig?
„Ich werde mich nicht vertreiben lassen, egal, wie fies du zu mir bist und welche Flüche du mir entgegenschleuderst.“, stellte Mike dann mit strenger, klarer Stimme fest. In seinem Tonfall schwang etwas Kraftvolles, Starkes mit, das mir verdeutlichte, dass es sehr schwer werden würde, mich
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