Change
gefiel. Aber ich lief so zumindest nicht Gefahr, mehr über mich zu verraten als ich vorgesehen hatte. Mike wusste sowieso schon zu viel. Er passte aber auch immer die schlechtesten Momente ab, um sich dann ausgesprochen seltsam zu verhalten. Irgendwann würde ich ihm keine Gegenwehr mehr entgegenbringen können, weil meine Ressourcen erschöpft sein würden. Und eigentlich wollte ich ja auch gar keine Ressourcen verschwenden müssen. Eigentlich … war meine Meinung über Mike so zweigeteilt wie mein Wesen.
„So langsam reicht es wirklich. Du weißt es doch mittlerweile echt besser. Du könntest nie so ohne meine Hilfe durch die Stadt nach Hause laufen. Und das brauchst du auch gar nicht. Ich bin schließlich hier, wie du unschwer erkennen wirst und ich lass mich nicht verscheuchen.“, stellte Mike klar, die vor der Brust verschränkten Arme betonten seine Sturheit noch.
„Es ist aber weit.“, meinte ich ausweichend. Ich wusste nur ungefähr, wo ich mich befand, zu welcher Straße diese Seitengasse führte. Aber so oder so wollte ich Mike das nicht antun. Davon mal abgesehen, in welche Lage er kommen würde, wenn ihn die freundlichen Menschen sehen würden, die mir das hier angetan hatten. Ich schüttelte geistesabwesend den Kopf und sah auf. „Weit? Wie weit?“, fragte Mike, sein aufmerksamer Blick suchte und fand meinen. Ich schluckte und nannte ihm meine Straße.
„Hmmm … Ich hab, ehrlich gesagt, keine Ahnung, wo das jetzt genau liegt. Aber ich glaube, das ist im Norden, oder?“, überlegte Mike laut. Ich beobachtete ihn und seine Augen, die ziellos Dinge fixierten und weiterwanderten.
„Ich hab doch gesagt, es ist weit zu laufen. Du brauchst mich nicht zu begleiten, ich schaff das…“, setzte ich zum Sprechen an, wurde jedoch abrupt unterbrochen.
„Du schaffst das gar nicht. Erzähl doch nicht fortwährend so einen Blödsinn. Du schaffst die Strecke weder alleine noch mit meiner Hilfe. Es ist echt ein bisschen zu weit, ich kann dich auch nicht so weit schleppen. Dafür reicht dann auch meine Kraft nicht und es ist bereits spät.“, erläuterte Mike. Ich musste zugeben, dass er Recht haben könnte.
„Ich weiß.“, murmelte ich leise, versuchte, meine Beine mit meinem Gewicht zu belasten. Solange ich mich an den Container festhalten konnte, funktionierte es, auch wenn der Schmerz in meinem linken Bein hoch zuckte. Ich zog eine Grimasse, als ich Mikes besorgten Blick bemerkte.
„Ich werde dich trotzdem irgendwo hin bringen, wo ich mir deine Verletzungen angucken kann, wenn du schon nicht ins Krankenhaus willst.“, machte Mike mir nochmals deutlich. Ich seufzte leise, drückte mich vom Container ab und ging zwei zitternde Schritte, bis ich das schmerzende Bein wieder entlastete.
„Ich will auch nicht unbedingt nach Hause.“, flüsterte ich, fast unhörbar. Mike verstand es aber dennoch.
„Nicht? Warum… nun, es geht mich nichts an. Okay, wenn das auch ausfällt, hätte ich noch eine Idee. Ich wohne nicht allzu weit weg, die Strecke schaffen wir locker zusammen. Was hältst du davon?“, schlug er mir vor. Ich starrte ihn überrascht an. War das sein Ernst? Er verarschte mich doch. Dieses Angebot konnte ich unmöglich annehmen. Mike war ein Fremder für mich, ich konnte ihm nicht trauen. Und da er nun schon wieder einen so seltsamen Vorschlag brachte, war mein Misstrauen zusätzlich angefacht. Ich erinnerte mich der Begegnung nach dem Konzert…
„Was? Wieso sollte ich? Nein, das geht nicht. Ich kann doch nicht zu ….“, wiegelte ich sofort ab, in Gedanken immer noch damit beschäftigt, Mikes Reaktionen abzuschätzen.
„Und wenn ich drauf bestehe? Ich hab kein Problem damit, weißt du. Also solltest du auch keins haben.“, schlussfolgerte er, die Personalpronomen stark betonend. Ich runzelte dir Stirn. So wie er es sagte, ergab es schon Sinn, aber dennoch…
„Das geht trotzdem nicht. Ich kenn dich doch gar nicht und du mich auch nicht. Wir sind einander fremd…“
„Vielleicht kennst du mich nicht gut, aber das liegt daran, dass du mir auch nie die Chance gegeben hast, deine Vorurteile zu entkräften. Ich jedenfalls weiß genug über dich, um dir zu vertrauen. Das gegenseitige Kennen lernen schaffen wir auch noch.“ Mike streckte mir seine Hand entgegen und ich wusste, würde ich sie ergreifen, wäre das meine Zustimmung zu seiner Idee. Ich atmete tief durch, schickte ein Stoßgebet zum Himmel und hoffte, mich nicht in Mike getäuscht zu haben. Es war seltsam
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