Change
gegen diesen sturen Jungen durchzusetzen. Ich fluchte schon wieder. Warum musste er nur hier aufkreuzen? Ich hatte so schon genug Probleme, ohne dass ich mich mit ihm herumschlagen musste. In jenem Moment verdammte ich Mikes Anwesenheit und vergaß, dass ich sie mir in einer vergangenen Sekunde sogar gewünscht hatte. Doch das war erfolgreich aus meinem Kopf ausgeblendet worden.
„Wieso tust du das? Ich hab dir schon zur Genüge gesagt, dass ich dich nicht brauche!“, zischte ich mit bitterböser Stimme, am Ende nahm ich noch ein letztes Mal meine Kraft und die verfügbare Luft in meiner schmerzenden Lunge zusammen, um ihm die Wörter entgegenzubrüllen. Es wurde natürlich nur ein leises Brüllen, doch die Antipathie und Ablehnung kam deutlich darin zum Vorschein. Ich konnte mir nur gratulieren. Vermutlich hätte das bei anderen Menschen Wirkung gezeigt, doch Mike beeindruckte es gar nicht.
„Du bist ein Idiot! Ich weiß es besser! Du brauchst sehr wohl jemanden, der dir hilft, also hör auf mit der Scheiße!“, brüllte er mich seinerseits an. Und im Gegensatz zu mir war die Lautstärke und Dringlichkeit seiner Worte nicht mal von einem fast tauben Menschen zu überhören. Mike schrie mich wirklich richtig an, seine Augen blitzten gefährlich. Ein wenig Angst breitete sich nun doch in mir aus. Vielleicht würde Mike auch gewalttätig werden, wenn ich ihn noch länger provozierte. Verscheuchen ließ er sich nämlich nicht. Ich fragte mich, warum er so darauf beharrte, mir zu helfen. Wer war ich denn schon? Nur ein Außenseiter, ein Einzelgänger. Ein Mobbing-Opfer, mit dem außer mir selbst niemand Mitleid hatte.
Und nun kam Mike und wollte mir helfen, obwohl ich mir viel Mühe gegeben hatte, ihn loszuwerden. Aber er war zu hartnäckig für mich. Das musste ich resigniert einsehen.
„Dann hilf mir halt. Aber bitte … bitte nicht ins Krankenhaus“, murmelte ich leise.
11. Kapitel
September 1993 - Aiden
Mike schwieg kurz, ich hörte ihn tief durchatmen. Sein Blick wanderte erneut über meine Gestalt, dann nickte er abgehackt.
„Na schön, Aiden. Und wohin soll ich dich dann bringen?“
Er klang immer noch leicht aggressiv, während er sich zu mir hinunterbeugte und sich vor mich kniete, die Handausgestreckt, um mir aufzuhelfen. Ich ignorierte sie jedoch und versuchte selber mein Glück.
„Soll ich dich zu dir nach Hause bringen?“, wollte Mike wissen, der sich nur kurz mit ansah, wie ich kämpfte, um auf die Beine zu kommen und daran scheiterte, bevor er meinen Arm ergriff und mich stützend hochzog. Das bereitete ihm erschreckend wenig Mühe, denn er hatte recht viel Kraft in den Armen und ich war schneller in einer senkrechten Position, als ich realisieren konnte. Ein leichtes Schwindelgefühl sorgte dafür, dass ich mich an Mike festkrallte, der sich dadurch nicht stören ließ sondern mir mit festem Griff Stabilität verlieh. Ich schnappte erneut Mikes angenehmen Geruch auf, bevor ich versuchte, mich loszumachen und mich für die spontane Hilfe bedankte, indem ich ihn rüde anfuhr.
„Mann, das kann ich auch alleine. Lass mich los.“ Mike verzog das Gesicht, ließ mich aber nicht gehen und wirkte immer noch angepisst, als er sich rechtfertigte.
„Vergiss es. Du willst doch nicht schon wieder auf dem Fußboden landen.“, meinte er, das ‚s’ bohrte sich aufgrund seines nachdrücklichen Tonfalls geradezu in meinen Kopf. Er war mir zu nahe, stand zu nah bei mir. Ich konnte ihn spüren, riechen, an mir fühlen. Obwohl er Recht haben könnte bezüglich meines Zustandes, entwand ich mich ihm nun doch und bewegte mich zwei wackelige Schritte von ihm weg, zu dem dreckigen, übervollen Müllcontainer, an den ich mich lehnte. Selbst diese Aktion ließ die Schmerzen neu auflodern und meinen Atem keuchend gehen. Tief atmete ich durch, um ihn zu beruhigen.
„Ich kann sehr wohl ohne Hilfe gehen. Schließlich geht’s mir schon besser.“, flunkerte ich ihn an und hoffte, er würde mir glauben. Vielleicht wurde ich ihn ja doch los, wenn ich ihm weismachen konnte, dass es mir gut ging? Meine Hoffnungen erfüllten sich jedoch nicht, Mike ließ sich von meiner Lüge nicht einwickeln. Er durchschaute mich. Trotzdem sagte er zuerst nichts, nur sein zweifelnder Gesichtsausdruck sprach Bände. Er musterte mich kritisch, der Blick seiner dunklen Augen wurde derart intensiv, das ich ihm schon wieder nicht standhalten konnte und erneut zu Boden sah. Nicht, das mir dieser Anblick mehr
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