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Change

Change

Titel: Change Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luisa Raphael
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Mike!“, flüsterte er, sein Atem schlug gegen mein Gesicht. Der feste Griff um meinen Oberkörper hob mich mit aller Macht hoch, während Mikes Gesicht verwischte, die Straße und eine offene Autotür in mein Sichtfeld gerieten und dann wieder Platz für die mich ansehenden Augen Mikes machten.
    „Aber er würde wollen, dass du aufhörst.“, wisperte die warme Stimme, hielt mich diesmal länger in der Vision fest.
    Nur für den Bruchteil einer Sekunde blitzte eine andere Empfindung durch, nur kurz spürte ich die Wärme eines anderen Körpers an meinem Rücken, fühlte grobes Sitzpolster unter meinen Händen und spürte die Bewegung, mit der ich einer Puppe gleich an meinen Platz gesetzt wurde. Dann zog sich die Wärme zurück und ich erkannte Mikes Gesicht wieder vor mir.
    „Kannst du es für ihn tun?“
    Die Stimme klang flehend. Vertraut und berührend. Ich konnte nicht anders reagieren.
    „Ja, vielleicht.“, krächzte ich, bevor ich zurück in die Dunkelheit fiel, die mich tröstlich umfing.
    Doch nicht lange genug, denn Mike - und um niemand anderen handelte es sich - blieb hartnäckig und versuchte, zu mir hindurch zu dringen und mir Informationen zu entlocken.
    Da ich nicht auf seine ersten Fragen antwortete, seufzte er schicksalsergeben: „Ach, Aiden. Was soll ich nur mit dir machen?“
    „Gar nichts. Das ist alles hoffnungslos.“ Jetzt war ich wieder da, seine traurige Stimme hatte mich zurück in die Realität geholt. Und auf meinen Sinn für Ironie in Form von Sarkasmus konnte ich mich in jeder Situation verlassen.
    „Du bist ein Idiot, Aiden, aber ich denke, das weißt du.“, kam es trocken von Mike, den ich jetzt das erste Mal richtig ansah. Die Armaturen des Autos beleuchteten sein Gesicht nur sehr spärlich, sodass er zum größten Teil in Dunkelheit getaucht wurde. Trotzdem erkannte ich den verzweifelten Ausdruck auf seinem Gesicht, welchen er meistens zeigte, wenn er sich über mich ärgerte. Der Ausdruck war mir vertraut wie mein eigenes Spiegelbild.
    Ich antwortete nicht auf seine Feststellung, da mich sein Blick nachdenklich stimmte. Ich fragte mich, was ich hier machte. Warum hatte Mike mich aufgelesen, wenn ich ihn doch zur Verzweiflung brachte? Warum tat er sich all das für mich an? War ich ihm so wichtig? Ich konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, ob ich dies für ihn tun würde.
    Doch ich war nicht lange dazu in der Lage, meine Gedanken auf das Thema Mike und seine Beweggründe zu konzentrieren, da sie mir schnell wieder abdrifteten. Und von dem Moment an war ich wieder geistig abwesend. Was danach noch geschah - und vor allem, wie Mike es geschafft hatte, mich in sein Zimmer zu bringen und auf sein Bett zu legen, wo ich am nächsten Morgen, der mir in dem Moment Meilen weit weg erschien, erwachte, registrierte ich nicht mehr.

19. Kapitel
     
     
    März 1994 - Aiden
     
     
    Verschwommene Bilder; flackernde Schatten; Licht, das mir in die Augen schien – kalt und brennend zugleich. Ich erkannte Umrisse, Schemen – doch diese reichten nicht aus, um mich zu orientieren. Harter Asphalt unter meinen dünnen Schuhsohlen und die smoggetränkte Luft halfen mir mehr, den Ort zu identifizieren als die hellen Lichtstrahlen, die unnatürlich tief durch die Häuserschluchten fielen und einem schwarzen Loch ähnlich von den reflektionslosen Wänden absorbiert wurden. Auch der Boden unter mir bestand aus nichts anderem außer lichtschluckender Finsternis, ich sah nicht, wohin ich treten sollte.
    Einzig ein Weg wurde der Dunkelheit entrissen, nur eine Gasse lockte mich mit ausgeleuchteten, flankierenden Häuserwänden und angestrahltem Asphalt. Und so lief ich wie von selbst darauf zu, kniff die Augen zusammen, als die kalten Lichtstrahlen meine Augen berührten und mich blendeten. Und dann war das intensive Licht plötzlich weg, nur ein Zwielicht drang durch den plötzlich mit Wolken bedeckten Himmel, das die Farben um mich herum matt werden ließ.
    Ich war nicht mehr allein. Kälte kroch meine Wirbelsäule herauf, mit eisigen Fingern strich die Angst über meinen Nacken. Nervös drehte ich mich um die eigene Achse, versuchte die Quelle dieser Furcht auszumachen. Sie sprang mir sogleich in die Augen.
    Drei jüngere Männer hatten den Platz hinter mir eingenommen, ihre Gesichter lagen im Dunkeln, von Schatten wirksam verhüllt, doch trotzdem kamen sie mir bekannt vor. Sie riefen eine schreckliche Erinnerung aus meinem Unterbewusstsein auf, die ich schon immer hatte endgültig verdrängen

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