Change
aufzuhören. Nein, ich machte weiter – denn die Flucht in die Drogen war das Einzige, was mich aus meiner jetzigen Lage befreien konnte.
Und heute war einer dieser Tage, an dem selbst die Höchstdosis noch zu wenig zu sein schien. Daher griff ich vielleicht zu etwas zu viel Koks, als ich es üblicherweise tat. Denn die Angst vor dem, was mich erwarten würde, wenn ich nicht im Vergessen versinken konnte, war größer als die Angst vor den Nebenwirkungen einer zu hohen Dosis.
Letzte Gedanken über die Gefahr einer Überdosis wurden weggewischt, als ich die Umarmung des Koks spürte – einem guten Freund gleich. Ich war jedoch nur kurzzeitig beruhigt, bald schon stieg unkontrollierbare und stetige Hektik in mir hoch.
Um mich vor dem grellen Licht in meinem Zimmer und generell unserem Haus zu verbergen, machte ich nicht wie jeder andere, vernünftig denkende Mensch, das Licht via Schalter aus - ich verließ lieber das Gebäude und trieb mich im Dunkeln auf den Straßen rum. Dass das gefährlich sein konnte, kam mir nicht in den Sinn - trotz dementsprechender Erfahrungen. Vermutlich war ich so benebelt und zu keinem logischen Denken mehr fähig, sodass ich mich lebensmüde verhielt.
Mein verschwommenes Blickfeld konnte von zwei Dingen her rühren – meiner zu Hause herumliegenden Brille oder aber den in meinem Kopf herrschenden Verarbeitungsproblemen – mir gingen die wunderlichsten Gedanken durch den Kopf. Gedankensprünge ungeheuren Ausmaßes und unlogische Schlussfolgerungen, die mir sonst nie und nimmer in den Sinn gekommen wären, strömten durch mein Gehirn. Ich fühlte mich plötzlich erleuchtet; war von der Genialität meiner Gedanken überzeugt.
Ein einziger Grund des Bedauerns machte sich in mir breit, als mir einfiel, dass ich sämtliche dieser großen und weltverändernden Gedanken morgen vermutlich wieder vergessen hätte. Und das durfte nicht sein. Ich musste sie bewahren. Doch wie?
Mir fiel mein Mobiltelefon in die Hände und ich überlegte, ob es mir weiterhelfen konnte. Die Lösung erschien nach ein paar, in meinen Kopf dröhnenden Herzschlägen, vor meinem inneren Auge: Ich musste mich jemandem mitteilen. Doch wem dieses wertvolle Gedankengut übermitteln?
Da ich so neben mir stand, erinnerte ich mich nicht mehr genau daran, warum es eine schlechte Idee war, Mike anzuschreiben, sondern tat es einfach ohne groß nachzudenken, obwohl ich mir beim Formulieren der SMS wirklich Mühe gab, keine Fehler einzutippen und sogar die Groß- und Kleinschreibung beachtete.
Meine SMS war leicht sarkastisch angehaucht, ich beabsichtigte damit, Mikes Aufmerksamkeit zu erregen: ‚Ach ja du weißt ja jetzt dass ich manchmal seltsam drauf bin.’, schrieb ich ihm, mit einer baldigen Antwort rechnend. Ich hatte vergessen, dass es mitten in der Nacht war und Mike vermutlich schlief. Und selbst wenn er noch wach gewesen wäre, hätte er vermutlich anderes zu tun gehabt, als mir auf meine komplett sinnlose SMS zu antworten, vor allem, da er bestimmt noch verletzt und sauer auf mich war.
Aber - oh Wunder - er schrieb tatsächlich zurück. In seiner kurzen Antwort klang noch stärkerer Sarkasmus mit, als in meiner SMS.
‚So wie jetzt?’, starrten mich die Worte aggressiv an. Als ich dies las, schlug meine Stimmung in Frustration und Wut um. Ich legte das Handy beiseite und setzte mich auf den Gehweg, mit dem Rücken lehnte ich an einer Hauswand. Die Beine an mich herangezogen verweilte ich dort. Wie lange genau, wusste ich nicht - ich hatte jedes Zeitgefühl verloren. Lange, lange verharrte ich dort und bemerkte nicht, wie mir Tränen über die Wangen liefen und ich zitterte - vor Kälte und lautlosen Schluchzern.
Auch bemerkte ich nicht, wie mein Handy nach einer Weile anfing zu Klingeln. Ich bekam erst etwas mit, als es zum wiederholten Mal dieselbe Melodie spielte.
Automatisch hob ich es hoch und hielt es ans Ohr - da ich vergessen hatte, drauf zu gucken, wusste ich erst nicht, wer mich da anrief. Und mein jetzt nur behäbig arbeitendes Gehirn konnte mir dies auch nicht sogleich verraten. Doch die Stimme klang vertraut.
„Aiden, was ist los bei dir? Bist du dran?“, erklang es an meinem Ohr. Ich antwortete nicht sofort, sondern versuchte, die verzweifelte Stimme einem Gesicht zuzuordnen. Dunkle, warme Augen tauchten aus den Tiefen meines vernebelten Unterbewusstseins auf, ein Lächeln manifestierte sich. Mike. Schließlich antwortete ich dem allmählich ungeduldig werdenden Anrufer.
„Ja, bin ich.
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