Changelings
übe doch nur, Yana«, erwiderte Millard mit spitzbübischem Grinsen, das in Anbetracht seiner ansonsten so ernsten Miene ziemlich fehl am Platze wirkte.
»Wozu?«
»Um selbst dem flüchtigsten Beobachter klarzumachen«, Millard legte eine Kunstpause ein, »daß Sie nicht einfach irgendein Transitpassagier oder so ein unwichtiges Landei sind!«
»Ach, tatsächlich?« fragte Yana, amüsiert, daß ihm das auch aufgefallen war. »Und womit wollen Sie diesem Eindruck gegensteuern - mit dem Oberst oder mit dem Doppelnamen?«
»Mit beidem«, erwiderte Millard ungerührt und musterte beiläufig die Leute, die ihnen im Gang entgegenkamen. Er machte einen langen Schritt vorwärts, den vier jungen Leuten auf den Gehsteig folgend; dann drehte er sich zu Yana um und streckte ihr die Hand entgegen.
Sie wollte ihn schon daran gemahnen, daß sie ja wohl kaum eine Invalidin war, als Sally sie von hinten knuffte, um ihr zu bedeuten, sie solle diese Geste höflicher Hilfsbereitschaft akzeptieren. Mit leicht geschwelltem Stolz folgte Yana ihrem Rat und quittierte Millards Hand lächelnd mit einem Kopfnicken.
»Das machen Sie ganz großartig, Yana«, murmelte Sally ihr ins Ohr.
»Werden Sie mich jetzt auch mit Oberst anreden?« flüsterte Yana zurück.
»Nein, aber ich bin ja auch nur eine Frau und Ihre Begleiterin, während Millard soeben zum Kavalier aufgerückt ist.«
»Oh!«
Als sie den Hauptgang erreichten, tat es Yana leid, daß Bunny vor ihr ging. Zu gern hätte sie den Gesichtsausdruck des Mädchens beobachtet, als sie die technische und kommerzielle Pracht der
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Zweiten Ebene zu Gesicht bekam. Hier fuhr nicht nur eine Einschienenbahn an der Decke entlang, in diesem Trakt gab es auch vierstöckige Geschäfte und in regelmäßigen Abständen Rolltreppen, damit man bequem von einer Ebene auf die andere gelangte. Einige der Läden überschütteten die Passanten mit ihren Geräuschen, Düften und Sinnesreizen, gegen die die ansässige Bevölkerung wahrscheinlich schon immun war, die auf Bunny aber wohl eben so stark wirken mochten wie auf Yana, die solche Rund gange auch nur vom Hörensagen kannte. Die Einrichtungen in den unteren Ebenen, die sie gelegentlich als Offizierin besucht hatte, waren doch erheblich primitiver ausgestattet als diese hier.
»Es wird Ihnen aufgefallen sein, Frau Oberst«, sagte Millard soeben, »daß hier neben den Transportbändern in bequemen Abständen Lageskizzen angebracht sind.« Er zeigte auf eine davon, als sie daran vorbeikamen. »Ihr Quartier befindet sich an der Schnittstelle Drei, also zwei Ringe rechts von unserer derzeitigen Position, Drei EL eins-zehn.
Bitte merken und aufzeichnen.«
Yanas Hand hatte schon den halben Weg zum Gürtel zurückgelegt, um nach dem Aufzeichnungsgerät zu greifen, das häufig zu ihrer Grundausrüstung gehört hatte, als ihr wieder Marmions Geschenk einfiel. Inzwischen hatte sie sich die Lage der einzelnen Tasten eingeprägt; deshalb aktivierte sie den Recorder jetzt mit einem leisen Streifen der Hand und sagte laut: »3-L-110, Schnittstelle Drei.«
»Praktisches Gerät«, murmelte sie über die Schulter Sally zu.
»Das stimmt.«
Sie folgten der Biegung, und die Gleitpaneele öffneten sich beim Schlenkern eines Handgelenks, um sich hinter ihnen wieder zu schließen und den hektischen Lärm der Einkaufszone verstummen zu lassen.
»Das Transportband befindet sich auf der Backbordseite«, erläuterte Millard. »Sie können aber auch zu Fuß gehen, falls Sie sich ein bißchen bewegen möchten.«
»Ja, das kann ich gebrauchen«, erwiderte Yana. »Ach so -ist das denn auch sicher?«
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»Sicher genug, Oberst.«
»Das raubt mir noch den letzten Nerv«, preßte Yana zwischen den Zähnen hervor.
»Eigentlich soll es genau die gegenteilige Wirkung haben«, murmelte Millard zur Antwort, und sie bemerkte das spitzbübische Glitzern in seinen Augen.
Die Wohnunterkünfte befanden sich auf zwei Ebenen.
Transportbänder standen bereit, um die Bewohner der höheren Etagen zu ihren Kabinentüren zu befördern. Offensichtlich war der obere Trakt der sicherere. Außerdem strahlte der Bodenbelag eine gewisse raffinierte Eleganz aus, ebenso wie die diskreten, unaufdringlichen Wandgemälde und Verzierungen. Das Revier der hohen Tiere, dachte Yana bei sich, wobei ihr gleichzeitig der Gedanke kam, daß sie im Augenblick durchaus etwas davon gebrauchen könnte, zumal nach ihrer Rückkehr auf den Planeten der petaybeeanische Winter bereits eingesetzt haben
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