Chanur-Zyklus 1 - Das Schiff der Chanur
zusammengepressten Lippen, und verspürte ein wenig Bestürzung, als sie an das Mädchen dachte, das eine Reise zuvor an Bord der
Stolz
gekommen war, und an die Frau, die jetzt ihren Blick erwiderte, selbstbeherrscht und die Chancen abwägend.
»Hatte auch Kontakt mit den
Mahe«,
sagte Pyanfar. »Sie sind bei uns.« Sie blickte an Chur und Haral vorbei zur Llun, Ginas, die die Ohren hängen ließ und den Blick ängstlich erwiderte. »Du musste den Rückflug nicht mitmachen«, sagte Pyanfar. »Du hast keinen Grund dazu,
Ker
Llun. Wir setzen dich nur dies eine Mal sicher ab, das ist alles.«
»Akzeptiert«, sagte die Llun verkrampft.
»Käpt‘n.« Haral warf ihr ein Päckchen mit Fleischstreifen zu sowie eine Flasche mit einem Getränk. Pyanfar klemmte sich die Flasche in den Schoß und hieb eine Kralle in das Päckchen, die Hände vor andauernder Strapazierung zitternd, benutzte die Kralle, um zwei Löcher in den Plastikverschluss der Flasche und die Tülle zu stoßen. Das Essen half, so schwierig es auch unter dem Beschleunigungsstress zu schlucken war. Sie bot auch den anderen etwas davon an.
»Wir hatten schon«, sagte Chur. Der Reihe nach senkten sich die Körper, als sich alle zurücklegten. Tully versuchte mit Handzeichen und verstümmelten Wörtern zu reden, und Hilfy und Chur verständigten sich mit ihm, so gut es ging, sprachen langsam über etwas, das mit dem Schiff und der Atmosphäre zu tun hatte. Ihm war kalt; sie hielten ihn fest und ließen sich endlich nieder. Pyanfar rollte mühsam die Augen zu Haral und schloss sie dann wieder, vom Schmerz betäubt.
Für keine der beiden Situationen, die auf der Station und die auf dem Planeten, konnten sie jetzt noch etwas tun. Kohans Nerven würden mittlerweile schon fast ausgefranst sein. Diese Hinundher-Psychologie der Herausforderung würde stündlich an ihm fressen. Es war, wie wenn man sich den Mut für einen Sprung zuredete und dann zurückwich. Der zweite Versuch fiel dann noch schwerer, eine Anstrengung aus dem Herzen heraus. Die Götter wussten, wie lange schon die Situation an Kohans Nerven sägte. Monate. Seit der Nacht, in der Hilfy fortgegangen war. Vorher schon - seit er wusste, dass Khym Mahn wahrscheinlich unter der Herausforderung fiel. Es gab einen Punkt, über den hinaus er alles Essen wieder hochwürgen würde, das er zu sich zu nehmen versuchte; er die ganze Nacht herummarschierte und damit seine Kräfte erschöpfte, auch durch den ständig hohen Adrenalinspiegel, der ihn innerhalb von Tagen bis auf Haut und Knochen verzehren würde.
Huran und einige der anderen Gefährtinnen waren geblieben. Da waren auch noch seine zwei jüngsten Söhne, die zu den Grenzen rannten, wenn sie auch nur ein bisschen Verstand besaßen, um nicht in seiner Reichweite zu bleiben. Da waren gut zwanzig Töchter, die vielleicht genug Wert an den Tag legten, um darauf zu achten, dass er aß und schlief, soviel nur möglich war, wenn diese Zeit heranrückte. Töchter, Gefährtinnen und mit den anwesenden Kapitänen noch ein paar Halbschwestern, die von allen am zuverlässigsten waren. Aber es gab auch noch ausgewachsene Chanur-Männer, die vielleicht aus dem Exil zurückkamen, um die Situation weiter hochzutreiben; zurück vom Einsiedlerleben, vom Umherwandern, von die Götter wussten welchen Beschäftigungen, die das Leben der Männer in den Freistätten ausfüllten. Sie waren bei jeder Herausforderung dabei; hoffnungslos, aufgestachelt und gefährlich trieben sie sich an den Grenzen herum.
Was den jungen Kara Mahn anging, so war er wahrscheinlich gut. Er hatte Khym bezwungen, der bis dahin weit mehr durch seinen Verstand als durch Kraft überlebt hatte.
Kara hatte das letzte mal, als sie ihn gesehen hatte, sowohl Körpergröße als auch Intelligenz versprochen. Chanurblut, letztendlich, und Chanurtemperament. Sie verfluchte ihre Dummheit, einen Gefährten wie Khym gesucht zu haben - einen ruhigen und friedlichen Wohnsitz, eine Bergzuflucht und Khym, einen Ruheort, einen Garten wie in einem Traum.
Khym hatte ihren Geschichten gelauscht, ihre Nerven beruhigt, sie mit seinem Witz zum Lachen gebracht; ein idealer Gefährte, der keinerlei Bedrohung für Chanur-Interessen darstellte. Aber, Götter, sie hatte nie daran gedacht, was sie an jenem Ort zurückließ, ihren eigenen chanurblütigen Sprössling, größer als Khyms Töchter und Söhne von örtlichen Ehefrauen, größer und stärker und auch - wenn solche Dinge vererbt werden konnten - streitsüchtig und
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