Chaos Erde
Wieviel haben Sie noch übrig?«
Kardeks Gesicht lief rot an; er bewahrte trotziges Schweigen, das die Richtigkeit der Schlußfolgerungen Nixys bestätigte.
»Nicht mal genug für die Toilette«, antwortete Quaddel, der jetzt durchblickte, an seiner Stelle. »Ich mußte für ihn zahlen.«
»Wahrhaftig? Ich vermute, Sie haben ihn vor diesem Akt der Mildtätigkeit nicht erst aufgefordert, sein Auge ans Okular zu halten?«
»Hätte ich das tun sollen?«
»Selbstverständlich! Du meine Güte, bin ich froh, daß ich mit Ihnen keine finanziellen Transaktionen durchführen muß. Sie brauchen eine… – ach, wie lautet diese alte Bezeichnung? – eine Haushälterin. Ich kenne diesen Typ von Gauner. Jemand seines Schlages war es, der Multi-Opa dahin beschwatzt hat, unser Sonnensystem zu kaufen und dadurch uns daheim in solchen Schlamassel gebracht hat. Nicht daß ich« – letzteres fügte sie als nachträglichen Gedanken hinzu – »so eine Gegend als >daheim< betrachten könnte.«
Während sie sprach, hatte Kardeks Benehmen sich vollständig gewandelt. »Das kann doch nicht sein«, schwafelte er in regelrecht ehrfürchtigem Tonfall. »Aber es muß so sein, Sie müssen es sein… Ist Ihr Name zufällig Anangaranga-Jones?«
Diskret hüstelte die Oberkellnerin. »Bedauerlicherweise kann ich die Plätze nicht mehr lange für sie reserviert halten. Es kommen aus Simbabwe, Paris und Rio Anfragen an unser Restaurant, weil dort die Kapazitäten fast völlig ausgelastet sind, und zudem finden in Kürze bei uns ein Euphemisten-Kongreß mit dreihundertdreitausend Teilnehmern statt. Bitte treffen Sie eine Festlegung.«
»Ich verhungere«, rief Quaddel.
»Und für das Vergnügen, in Gesellschaft der liebreizenden Miss Anangaranga-Jones essen zu dürfen«, erklärte Kardek, »will ich gerne – nicht ohne mich bei Ihnen zu entschuldigen, Sir! – meine kleine Vorspiegelung aufgeben, von der Einreisebehörde mittellos gemacht worden zu sein. Ich erachte es als sinnvoll, für alle Fälle immer eine Kreditenreserve im linken Auge gespeichert zu haben.«
»Aber der Tisch ist nur für zwei Personen reserviert«, stellte das Simulacrum fest.
»Schon gut«, meinte Nixy. »Diese beiden Ehrenwerten Intelligenzen können ihn belegen. Wie gesagt, ich esse nichts. Ich verzichte aufs Restaurant, ich will nichts als fort.« Sie wandte sich an Kardek. »Sie entschädigen gefälligst diesen armen Tropf, indem Sie ihn über die moderne Galaxis aufklären, verstanden? Und betrügen Sie ihn ja nicht noch mal, nur weil er ‘n ahnungsloses Stück Gefrierfleisch ist.«
Wie sie es schaffte, würdevolle Strenge auszustrahlen, obschon nichts außer das eigene Haar ihre Blöße bedeckte, und das nur bis zur Hüfte, blieb Quaddel unklar, doch es gelang ihr glanzvoll.
»So, und nun kehre ich nach San Franzisco um, aber erst, wenn ich mich mit Multi-Opas Anwälten besprochen und sichergestellt habe, daß ich nicht mehr von solchen dämlichen Weltraumdetektiven belästigt werde. Ich…«
In genau der Halbsekunde, in der sie das letzte Wörtchen äußerte, entstand eine Art von Wahrnehmungsverschiebung: Quaddel hatte ein schwer beschreibbares Gefühl, das sich vielleicht mit dem unwillkürlichen Zusammenzucken bioelektrischer >Normalisierung< beim Aufschrecken aus leichtem Schlaf vergleichen ließ. Unmittelbar danach erscholl vom Haupteingang des Hotels ein Geschnatter diffuser Aufregung, das man möglicherweise am sinnvollsten in dem allemal brauchbaren Ausruf Ach du Scheiße! zusammenfassen konnte…
Nixy stutzte, wenngleich sie offenbar mehr spürte als erkannte, daß sich etwas verändert hatte. »Was ist passiert?« erkundigte sie sich bei der Oberkellnerin.
»Es besteht kein Anlaß zur Beunruhigung«, lautete Tigers Antwort.
»Glauben Sie kein Wort«, mischte sich Kardek ein. Er hatte einen Rückwärtsschritt getan und jetzt freie Sicht auf den Hoteleingang. »Wir sind nicht mehr hier… Ich meine, nicht mehr, wo wir waren. Kann sein, wir sind noch auf der Erde, aber soviel mir bekannt ist, gibt’s kein Interdimensional-Hotel in einer Polarregion, und für mich sieht’s mehr nach ‘ner Eiswelt aus.«
»Was?« entfuhr es Quaddel. »Wir sind zu einem anderen Planeten geflogen?«
»>Geflogen< ist wohl nicht das richtige Wort, wir sind transloziert worden. Es kommt vor, daß in einem Direkttranslokator eine Inversion auftritt und er sich selbst transloziert, und dann nimmt er sein unmittelbares Umfeld mit. Gehört habe ich schon von so was,
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