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Chaos Erde

Chaos Erde

Titel: Chaos Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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einem Lederriemen. Der Schaffner hatte jedem beim Einsteigen in den Bus einen Fahrschein ausgehändigt, dafür jedoch kein Geld verlangt, denn für den Bargeldverkehr hätten Münzen geprägt werden müssen, doch die natürlichen Erzlagerstätten der Erde waren, wie Nixy nach Befragen ihres HyperMemos erläuterte, während der Epoche der Extravaganz dermaßen erschöpft worden, daß man sich so etwas nicht mehr erlauben konnte.
    »Sie da, Leut«, röchelte er aus von der Londoner Erbsensuppe aufgerauhter Kehle, »verbindens mit Ihrm Besuch a bisserl Sensation Nervernkitzel! Wanns wolln, überquern Sie die Stroß, und Jack Ripper zerschnitzelt Sie zu Schaschlik, oder so an neumoderner rücksichtsloser Radfahrer rast Sie übern Haufn, und Sie wem ins Marlborough-Hospital gschafft und do in offner Station mit authentschen Medikamentern und Instrumentern der damalgen Zoit behandelt, oder Sie laufen Einheimschen in die Arm, die Sie durch Nacht und Nebel zu famosen Pups führn, beispielsweis ins Queen Zed an der Biker Street, auf der Seite mit den ungeraden Hausnummern…«
    Er verstummte mitten im Satz und redete in völlig anderem Ton weiter. »Für den Fall, daß Sie Bedarf an einem Slang-Translator haben, darf ich Sie darauf hinweisen, wir bieten Sie Fahrgästen, die ohne Zugriff auf einen Historische-Dialekte-Datenspeicher sind, in jedem Bus zum Kauf an. Für den Fall, daß Sie über solchen Zugriff verfügen, muß ich erwähnen, daß Sie mit der Nutzung eventuell insofern gegen Urheberrecht verstoßen, als die Terra Nova AG, ein Tochterunternehmen des Yelignumanischen Wirtschaftsverbunds OHG, sich sowohl die Londoner Cockney-Mundart wie auch alle übrigen terranischen Dialekte haben urheberrechtlich schützen lassen.«
    »Auf welcher Seite der Straße«, erkundigte Nixy sich mit zusammengebissenen Zähnen, »finden wir die Hausnummer zweihunderteinundzwanzig B?«
    »Hui! Sie wolln die Hülf von Mr. Holmes! Warum sagens des net glei? Zu den Ungeraden geht’s rechts naus.«
    »Vielen Dank«, brummte Quaddel halblaut, stieg aus, drehte sich um und wollte Nixy, weil er das für authentische viktorianische Höflichkeit hielt, beim Aussteigen behilflich sein, doch sie rauschte schroff an ihm vorüber. Sie tastete sich durch den Nebel die Stufen zu einem Hauseingang mit schwerem Anklopfer hinauf, den sie anhob und gegen die Tür knallte. Ehe sie ein zweites Mal anklopfen konnte, öffnete ihr ein kleines Mädchen von ungefähr acht oder neun Jahren in bodenlangem Kleidchen und vollführte einen höflichen Knicks. Flackrige Gaslampen erhellten einen schmalen Eingangsflur. Allem Anschein nach herrschte im Haus nahezu ebenso schlimmer Kohlenqualm wie im Freien.
    »Guten Abend«, begrüßte das Kind die Ankömmlinge. »Bitte treten Sie ein. Mr. Holmes erwartet Sie.«
    »Erwartet uns?« wiederholte Quaddel verblüfft.
    »Selbstverständlich. Er hat Ihr Telegramm erhalten.«
    »Aber wir haben nie ein…«
    »Mrs. Hudson«, rief eine hohe Stimme aus dem Obergeschoß. »Bringen Sie die Besucher sofort herauf!«
    »Sehr wohl, Sir«, rief das kleine Mädchen zurück. »Bitte folgen Sie mir«, fügte es hinzu und erstieg eine Treppenflucht, deren Wände man mit Kunstdrucken dekoriert hatte, die Jagdmotive zeigten.
    »Mrs. Hudson?« fragte Quaddel verwirrt.
    »Sie ist eben dran«, sagte Nixy ungnädig. »Die Menschen hier müssen sich zusammenkratzen, was sie an Einkünften kriegen können.«
    »Werden Sie doch nicht gleich patzig. Sie wissen, daß ich kein HyperMemo habe.«
    Zur Entschuldigung grinste Nixy ihm über die Schulter zu. »Tut mir leid. Das ist einer der wenigen Fakten, die es sich nicht für mich merkt.«
    »So ist es.« Quaddel erwiderte das Grinsen.
    Sie erreichten den obersten Treppenabsatz. Auf der Schwelle einer offenen Tür stand ein Junge von etwa zwölf Jahren, gekleidet in einen grauen, dreiteiligen Anzug, aus dessen Westentasche eine goldene Uhrenkette baumelte. »Ich bin Dr. Watson«, stellte er sich vor, »Mr. Holmes’ Freund und Chronist. Treten Sie ein.«
    Er wich beiseite, um die Besucher ins Zimmer zu lassen. Es hatte die gesamte traditionelle Ausstattung, an die Quaddel sich nun mit beachtlicher Genauigkeit erinnerte: ja, die durch Einschußlöcher gebildeten Initialen VR waren vorhanden, der persische Pantoffel voller Tabak – oder wenigstens einem Häuflein brauner Krümel –, da der Ecktisch mit den Geräten für chemische Experimente, dort der Geigenkasten, hier ein Fläschchen mit feinem, weißem

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