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Chaos Erde

Chaos Erde

Titel: Chaos Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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Pulver, dort eine Spritze… Aber dieser… dieses Kind sollte der große Detektiv sein?
    Von seinem Platz erhob sich nämlich, um seine Gäste zu begrüßen, ein pausbäckiges Bürschchen von höchstens vierzehn Jahren, wies sie in Sessel. »Mr. Quaddel, Miss Anangaranga-Jones«, behauptete der Jugendliche mit einer gewissen Gereiztheit, »ich verstehe wirklich nicht, warum Sie bei mir vorsprechen. Statt an mich sollten Sie sich an meinen Kollegen wenden, Mr. Camacki.«
    Beide starrten sie ihn fassungslos an. Ungeduldig winkte er Watson zu.
    »Dr. Watson, zeigen Sie ihnen die Abendzeitung.«
    »Hm, einen Moment mal. Wo habe ich das Mistding bloß hingelegt?« Der Junge durchwühlte auf einem Beistelltisch einen Stoß Zeitungen. Das war zuviel für Nixy; sie sprang aus ihrem Sessel auf.
    »Sehen Sie, mir ist bekannt, daß Leute im Schichtdienst tätig sein müssen, um in den irdischen Rekapitulationszonen historische Persönlichkeiten zu verkörpern, aber…«
    »Holmes«, unterbrach er. »Aber Sie halten es für Unfug, daß kein langer Klapperdürrer mit Zylinderhut meine Rolle spielt? Madam, sind Sie sich nicht dessen bewußt, daß Sherlock Holmes keine >historische<, sondern eine fiktive literarische Person ist?«
    »Also… ähm…«
    »Ich weiß es«, murmelte Quaddel.
    »Ja, Sie, Mr. Quaddel. Allerdings sind Sie ein erdgeborener Wiedererweckter, wogegen die Dame eine Exoplanetare ist, und das Unvermögen solcher Leute, zwischen Fakten und Fiktion zu trennen, zählt zu den bedeutendsten und gleichzeitig ungeliebtesten Einkommensquellen dieser armen, ausgelaugten Welt…«
    Diesmal unterbrach er sich selbst. »Ah, Watson, ich sehe, Sie haben die Zeitung gefunden.«
    »Die ist von gestern«, widersprach »Watson« mürrisch und suchte weiter.
    »Wieso geben Sie vor, wir hätten Ihnen ein Telegramm geschickt?« fragte Quaddel in dem Moment des Schweigens, der sich anschloß.
    »Ach, das war nur wegen des zeitgenössischen Kolorits. Wissen Sie, wir machen das alles hier eigentlich mehr für uns als für Sie.«
    »Wie bitte?«
    »Phantasieförderung ist naturgemäß ein bedeutsames Element in der psychischen Entwicklung jedes Kindes, deshalb gehört es zur Ausbildung von Jugendlichen wie uns, die eine erwerbsmäßige Laufbahn in einer Rekapitulationszone anstreben, fiktive Charaktere zu spielen, bevor man uns mit der Verkörperung historischer Persönlichkeiten betraut. Man sieht darin eine Möglichkeit, in den Rekapitulationszonen eine echt menschliche Komponente beizubehalten, die Yelignesen würden nämlich am liebsten überall ausschließlich Simulacren einsetzen, weil sie der Ansicht sind, Apparate seien in jeder Beziehung leistungsfähiger als Menschen. Dahinter steckt selbstverständlich purer Neid. Ich meine, es… Na, sind Sie zufällig schon in Washington gewesen?«
    »Welchem?« fragte Quaddel nach einem Augenblick des Überlegens.
    Holmes lachte. »Gute Frage. Soviel ich gehört habe, sind die Amerikaner darüber ungeheuer wütend.«
    »Worüber?« rief Nixy dazwischen.
    »Über die Tatsache, daß ihr Kapitol und das Weiße Haus im Bundesstaat Washington auf dem flachen Land und nicht in Washington-Stadt rekonstruiert worden sind. Was mich angeht, ich sehe nicht ein, was dergleichen heutzutage noch für eine Bedeutung haben soll, wenn man fast ohne Zeitverlust an jeden Ort gelangen kann, aber offenbar sind sie drüben in dieser Hinsicht etwas eigen. Nach meiner Auffassung müßten sie viel stärker verstimmt sein, weil das Lincoln-Kolossalstandbild in der Lincoln-Gedenkstätte sagt: >Ey, Jungs und Mädels, macht mal die Ohren auf! Da machten vor einem Jahrhundert Macher, die wußten, wie man was macht, die Fundamente für…< Doch ich bemerke bei Ihnen, Miss Anangaranga-Jones, gewisse Anzeichen mangelnden Durchblicks.«
    »Wer war Lincoln?«
    In dieser Sekunde stieß Watson einen Ausruf des Triumphs hervor und reichte ihr eine gut nachgeahmte Abendzeitung – gut nachgeahmt, wenn man davon absah, daß sie aus nur einem Blatt bestand.
    »Aha, ja«, meinte Holmes mit hörbarer Befriedigung. »Aus dieser Berichterstattung, meine teure Dame, müßte selbst die niedrige Intelligenz eines Mehlwurms zu schlußfolgern imstande sein, weshalb es sich für Sie empfiehlt, lieber Mr. Carnacki zu konsultieren, den soidisant Geisterjäger.«
    Quaddels Blick überflog den Aufmacher der von Nixy hochgehaltenen Zeitung, las dabei, ohne es zu beabsichtigen, einzelne Satzteile laut. »…Londoner Öffentliches

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