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Chaos Erde

Chaos Erde

Titel: Chaos Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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oder im Erdulden, wie man wohl besser sagen sollte – einer Rekapitulationszonen-Personifikation besteht, gibt es reichlich Kandidaten, die gerne Pharao Echnaton, Chaka Zulu oder Don Quijote spielen möchten, aber fast niemand auf diesem oder irgendeinem sonstigen Planeten erinnert sich noch daran, wer Carnacki war – beziehungsweise wer er gewesen wäre, hätte er tatsächlich gelebt –, deshalb hat er nur eine Teilzeitstellung. Heute zum Beispiel ist der Mann, den Sie gestern als Carnacki kennengelernt haben, in Lambarene und spielt Albert Schweitzer für eine Touristenbande von Wurzelwelt, die danach lechzt, ihm als schamlosen, korrupten Handlanger weißer kolonialistischer Ausbeuter bei lebendigem Leibe das Fell über die Ohren zu ziehen…«
    Im Erdgeschoß läutete die Türglocke. Die im Obergeschoß Versammelten schenkten ihr keine Beachtung, weil es Quaddel mißlungen war, ein Stöhnen zu unterdrücken. Beunruhigt griff Watson nach seiner Hand, um ihm den Puls zu fühlen. Doch Quaddel schob seine Faust beiseite.
    »Aber Schweitzer hat tatsächlich gelebt! Unterscheiden die Leute denn wahrhaftig gar nicht mehr zwischen fiktiven Charakteren und Menschen, die es wirklich gegeben hat?«
    »Wer sollte denn die Unterscheidung treffen?« führte Holmes dagegen an. »Die Yelignesen? Wieso? Die Erde ist nicht ihre Geburtswelt… Soweit die Yelignesen überhaupt geboren werden. Und buchstäblich kein einziger Mensch schert sich genug um das Durcheinander, um die Heimatwelt der Menschheit aufzusuchen und die Yelignesen zu beraten. Schon zu Ihrer Zeit hatten doch die meisten Leute längst aufgehört, sich über irgend etwas ernstzunehmende Gedanken zu machen. Sicherlich entsinnen Sie sich, wie man zuließ, daß unter den amerikanischen Schwarzen Lügen und Pseudowissenschaften als Wahrheiten verbreitet wurden. O ja, wir müssen die Schuld unserer eigenen Spezies beimessen.«
    »Oder ihr dankbar sein«, bemerkte Dr. Watson.
    »Nun ja, ich muß zugeben, Sherlock Holmes zu spielen macht mehr Spaß, als Peter den Großen zu mimen. Oder Kapitän Ahab, der eine Beinprothese aus Walknochen hatte.«
    Ehe ein weiteres Wort fiel, kam mit aufgeregter Miene Mrs. Hudson herein. »Mr. Holmes«, rief sie, »unten ist jemand, der behauptet, ein Bekannter Ihrer Klienten zu sein. Aber ich habe da meine Zweifel, der is a hell’r Kerl, der will kasp’rn und a Macheloike mach’n…«
    Ihr Josefine-Mutzenbacher-Programm machte sich wieder bemerkbar. Sobald es ihr auffiel, verzog sie, bevor sie weitersprach, das Gesicht. »Sind Miss Anangaranga-Jones und Mr. Quaddel mit einem gewissen Mr. Maximilian Kardek bekannt?«
    »Wir haben«, räumte Quaddel ein, nachdem er einen Blick mit Nixy gewechselt hatte, »jemanden dieses Namens flüchtig kennengelernt.«
    Augenblicklich erscholl ein fröhliches Rufen.
    »Diese Stimme ist Musik in meinen Ohren! Rimski, mein teurer Freund, sagen Sie dieser Gorgone, Sie soll mir aus dem Weg gehen! Nixy, altes Mädel, sind Sie auch da?«
    Man konnte hören, wie er beim hurtigen Ersteigen der Treppe jeweils zwei Stufen auf einmal nahm.
    »Temporalretardation!« schnauzte Holmes hinüber zu Watson, der sich eilig umdrehte. Die Schritte verstummten. Ein unangenehmes Druckgefühl legte sich auf die Ohren. Davon unbeeindruckt, betrat Holmes den Treppenabsatz; die restlichen Anwesenden schlossen sich ihm an.
    Auf halber Höhe der Treppe stand Kardek, der heute in Karmesinrot und Ultramarinblau umging, und war mitten in der Bewegung erstarrt; ihn umgab ein flimmern des Leuchten, das an das Hitzeschimmern auf einer sonnenbeschienenen Straße erinnerte. Trotzdem war deutlich zu sehen, daß seine Hand nicht das Treppengeländer faßte, sondern ein Dokument hielt, an dem etliche Siegel baumelten.
    »Ha«, rief Holmes. »Miss Anangaranga-Jones, ist das zufällig der Mann, der Ihnen für nichts als die Empfehlung, mich zu konsultieren, Honorar abverlangt hat? Ja? Aaa-ha! Genau der Typus von liederlichem Tunichtgut, der die niedrige Stellung eines Gerichtsboten anzunehmen bereit ist.«
    »Ist das ein Gerichtsbescheid?« fragte Nixy, deutete auf das Dokument.
    »Gewiß.«
    »Geht’s etwa darum, daß wir in Kalifornien vor diesen doofen Weltraumdetektiven ausgerissen sind?«
    »Das bleibt festzustellen. Watson, bitte mein Teleskop!«
    Eilends reichte Watson ihm ein ausziehbares Messingrohr. Holmes setzte es ans rechte Auge und betrachtete die Urkunde aus dem gegebenen Abstand. »Ich ersehe in dieser gerichtlichen Vorladung

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