Chaos über Diamantia
einschlief.
Morton erwachte in einem Krankenzimmer.
7.
Er fand seine Uniform hinter der Schiebetür eines Wandschranks. Die an verschiedenen Stellen verborgenen Waffen hatte man entfernt, wie nicht anders zu erwarten war. Vermutlich waren sie zusammen mit seinen anderen persönlichen Dingen irgendwo unter Verschluß.
Aber wenigstens hatte er seine Kleider.
Er ging zum Fenster und manipulierte unbeholfen an den altmodischen Holzläden. Diese verdammten Neu Neapolitaner mit ihrer verrückten Idee, das alte Neapel bis zur letzten Unbequemlichkeit wiederzuerschaffen!
Dann hatte er die Verriegelung gelöst und stieß die Läden nach außen. Der Wind half ihm dabei, und der rechte Laden knallte mit einem Geräusch wie ein Pistolenschuß gegen die Hauswand, während der linke wieder zugestoßen wurde. Morton beugte sich hinaus und sicherte sie mit den kleinen gußeisernen Riegeln, deren Enden menschlichen Köpfen nachgebildet waren. Dann blickte er hinaus und sah, daß die Sonne schon hoch über den alten Gebäuden mit ihren verschachtelten Ziegeldächern stand. Nach seiner Schätzung war es ungefähr neun Uhr.
Es muß der nächste Morgen sein, sagte er sich. Es gab keinen Grund für die Annahme, daß mehr Zeit verstrichen war, seit er mit Leutnant Bray im Wagen gesessen hatte.
Aber es mußte eine Folge von Ereignissen gegeben haben, in deren Verlauf sein Körper hier in dieses Krankenzimmer gebracht worden war. Wer hatte in der Zwischenzeit mit seinem bewußtlosen Körper zu tun gehabt, und was hatten sie entdeckt?
Als diese unbehaglichen Gedanken durch seinen Kopf gingen, verließ er das Fenster und steuerte das Telefon an, das er neben dem Bett entdeckt hatte. Die Schaltung in der Zentrale war offenbar nicht manipuliert worden, denn er konnte seine Büronummer durchwählen und bekam Verbindung mit dem Sergeanten Struthers, seinem Sekretär.
»Passen Sie auf, Struthers«, befahl Morton. »Nehmen Sie meinen Wagen und kommen Sie zum – « er unterbrach sich, um das Kleingedruckte am Telefonsockel zu lesen » – zum Hospital der Incurabili, rückwärtiger Eingang.«
Struthers versprach es, und Morton legte ermutigt auf. Trotzdem, einfach würde es nicht sein, hier herauszukommen.
Angetrieben von diesem Gedanken, griff er wieder zum Telefon. Einige Augenblicke später sprach er mit Andrew Gerhardt, Arzt und Psychiater im Heeresdienst, und berichtete ihm wahrheitsgetreu, was ihm zugestoßen war. Dann traf er eine Verabredung für den frühen Nachmittag und schloß ernst: »Ich bin überzeugt, Doktor, daß diese Angelegenheit in Ihre Zuständigkeit fällt.«
Dr. Gerhardts jugendliche Stimme beeilte sich, zu versichern, daß Mortons Problem in der Tat nicht funktioneller Natur zu sein scheine. »Und wenn Sie irgendwelche Schwierigkeiten haben, Sir, dann dürfen Sie sich selbstverständlich auf mich berufen.«
Morton legte auf und fühlte sich erheblich wohler, obwohl die Frage, wie er später mit Gerhardt zurechtkommen würde, eine andere Sache war. Er rasierte sich, legte seine Uniform an und justierte eben seine Dienstmütze vor dem Spiegel, um den größtmöglichen Effekt von Autorität zu erzielen, als das Telefon läutete.
Es war Leutnant Bray, außer Atem und voll von Entschuldigungen. Was Morton dem aufgeregten Gesprudel des Leutnants entnahm, war, daß Bray mit Struthers gekommen war; und sie waren am rückwärtigen Eingang und warteten darauf, Morton vom Krankenhaus zu entführen.
»Sehr gut«, sagte Morton. »Vielleicht haben wir Glück.«
Augenblicke später war er im Korridor. Acht oder neun Personen waren zu sehen, und als Morton mit raschem und energischem Schritt in die Richtung marschierte, wo er Treppenhaus und Aufzug vermutete, sah er drei weitere Leute aus verschiedenen Türen kommen.
Es war unmöglich zu sagen, ob jemand ein Auge auf ihn hatte. Er gelangte unbehelligt zum Aufzug, aber dann war er nicht glücklich, als zwei weißgekleidete Männer – offenbar Pfleger – die einzigen Personen waren, die mit ihm in die Aufzugkabine traten.
Morton machte ihnen höflich Platz und stellte sich mit dem Rücken an die Wand. Die Männer schienen nichts miteinander zu tun zu haben, denn sie standen getrennt, jeder in seine Gedanken vertieft. Beide waren mittelgroße, stämmige Diamantier.
Die Aufzugkabine sank abwärts und hielt in der dritten Etage. Die Tür glitt zurück, und ein ebenfalls weißgekleideter Mann schob einen unbesetzten Rollstuhl in den Aufzug. Die zwei Pfleger und Morton
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