Chaos über Diamantia
ein nackter Mann mittleren Alters zum Vorschein, stämmig und wohlgenährt. Dann kam Bray heraus, der seine Unterhose angezogen hatte. Und dann die beiden Mädchen.
»Schschsch!« sagten sie besorgt.
Maria riß sich zusammen und sagte, daß sie schon wieder einen toten Mann in ihrem Zimmer habe.
Die fünf drängten hinein. Bray beugte sich über seinen Kollegen und stellte erleichtert fest, daß Kirk noch atmete.
»Ihr werdet einen Arzt rufen müssen«, riet der ältere Mann den Mädchen. »Aber wartet, bis mein junger Freund und ich gegangen sind.«
Bray griff zum Telefon und läutete Struthers aus dem Bett. Als der Sergeant kam, trugen die zwei Männer den besinnungslosen Kirk mühevoll die vier Treppen hinunter und in den Kombiwagen.
Die Erklärung, daß sie einen Betrunkenen zurückbrächten, genügte den Wachen am Tor, die den Schlagbaum hoben und den Wagen passieren ließen. Kirk in den Palast zu schaffen, ohne unnötiges Aufsehen zu erregen, gestaltete sich etwas schwieriger; Bray und Struthers mußten Kirk in ihre Mitte nehmen, seine schlaffen Arme über ihre Schultern ziehen und den Anschein erwecken, als »gehe« er zwischen ihnen. So beförderten sie ihn in sein eigenes Zimmer, zogen ihn aus, legten ihn ins Bett und sperrten die Tür ab.
»Was machen wir mit ihm?« fragte ein höchst beunruhigter Struthers.
Das, erklärte Bray ihm müde, sei ein Problem, mit dem er sich morgen früh befassen wolle. Er wartete, bis Struthers in den Fernen des Korridors verschwunden war, dann steckte er Kirks Zimmerschlüssel ein. Weil er auch Mortons Schlüssel hatte, ging er hinauf in Mortons Schlafzimmer, wo er sich auskleidete und in das herrliche große Bett kroch.
Die vergangene Nacht hatte er auf dem Fußboden seines eigenen Zimmers verbracht, nachdem er sein Bett dem bewußtlosen Morton abgetreten hatte.
15.
Allzu schnell kam der Morgen.
Bray wälzte sich aus dem Bett, legte seine Uniform an und besuchte die beiden Besinnungslosen. Keine Veränderung.
In trüber Stimmung verzehrte er sein Frühstück. »Mrs. Bray«, sagte er zu seiner weit entfernten Mutter, »Diamantia ist nicht der sicherste Ort für Ihren Liebling.«
Als er im Büro saß und seinen fruchtlosen Grübeleien nachhing, läutete plötzlich das Telefon. Bray zuckte zusammen, dann griff er zum Hörer. Struthers war am anderen Ende. »Mr. Laurents Sekretär möchte Oberst Morton sprechen.«
»Geben Sie ihn mir«, sagte Leutnant Bray.
Der Sekretär des außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafters teilte Bray mit, daß die Streitkräfte der Erdföderation zugestimmt hätten, einen gefangenen Anführer der Irsk vom Geheimdienstchef verhören zu lassen. Er fügte hinzu: »Oberst Morton hatte kurz nach Ankunft der Verhandlungsdelegation um eine solche Gelegenheit gebeten, und wir konnten es endlich arrangieren. Das Verhör ist für halb ein Uhr angesetzt.«
Mit einem Teil seines Bewußtseins hörte Bray sich erklären, daß er mit einem Anruf Mortons rechne, und daß er natürlich kommen werde, um das Verhör zu leiten. Mit einem anderen Teil seines Verstands versuchte er sich zu erinnern, was er von Mortons Gründen für ein Gefangenenverhör wußte.
»Dies ist es!« murmelte er vor sich hin. »Dies ist, worauf wir gewartet haben.«
Ärgerlich war nur, daß der Sekretär abschließend in strengem, mahnenden Ton gesagt hatte: »Mr. Laurent erwartet, daß Oberst Morton selbst kommt. Kein anderer. Machen Sie Ihrem kommandierenden Offizier das klar.«
Bray beschloß, allein zu gehen.
Ein paar Minuten später, nun wieder voll von vorwärtsdrängendem Elan, blieb er an Struthers’ Schreibtisch stehen und erklärte, daß Struthers die Tür zu Mortons Büro im Auge behalten und niemanden einlassen solle.
»Was ist mit den Schritten, die Sie in Verbindung mit Leutnant Kirk und dem Oberst unternehmen wollten?« fragte Struthers.
»Im Laufe des Tages«, sagte er unbestimmt.
Der Sergeant nickte trübe, und Bray marschierte durch den Korridor in Mortons Privatquartier. Dort führte er hinter verschlossener Tür die Operation an seiner Uniform aus. Er trennte die Rangabzeichen des Leutnants ab und befestigte die von Mortons Uniform mit Sicherheitsnadeln an seinem Waffenrock.
Nach getaner Arbeit trat er vor den Spiegel und musterte sich kritisch. Das Gesicht, das ihm entgegenblickte, konnte mit Dienstmütze notfalls als das eines Dreißigjährigen durchgehen (tatsächlich war er fünfundzwanzig).
Er wurde philosophisch. Was konnte
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