Chaosprinz Band 1
fragend an.
»Ähm, sie wollte gleich nachkommen«, weiche ich aus.
»Toll, das ist ja mal wieder typisch! Timmy, geh bitte und sag Maria, sie soll sofort kommen«, befiehlt Alex streng. Seine Autorität bekommt allerdings durch die großen, braunen Stoffbären, die er an sich drückt, einen kleinen Dämpfer. Timmy gehorcht brav und eilt aus seinem Zimmer. Alex und ich suchen weiter.
»Gustav? … Gustav? … Gustav? … Gus…«
»Was soll die Scheiße, Bambi? Denkst du, er wird dir antworten, oder was?« Alex klingt teils belustigt, teils genervt.
»Wer weiß. Hast du schon mal einen Hamster angesprochen?«, frage ich überheblich.
»Nein!«
»Na, dann wundere dich auch nicht, wenn dir noch keiner geantwortet hat.«
Alex schnaubt. Er streckt seinen Kopf in einen geöffneten kleinen Schrank, der mit rosa Blüten verziert ist. Wahrscheinlich bewahrt Emma dort die Kleidchen für ihre Puppen auf. Eine Weile durchwühlen wir stumm das Zimmer. Ich finde eine ganze Menge toller Sachen, nur Gustav bleibt verschwunden.
Ich setze mir einen braunen Cowboyhut auf und verdecke mein rechtes Auge mit einer Piratenklappe. Dann entdecke ich einen großen, hölzernen Kaufladen. Ich krabble hinter den knallig bunten Verkaufstresen und lasse die Plastikkasse mit einem lauten Ring aufspringen. Das ist lustig. So viele Kindheitserinnerungen. Ich habe das Gefühl, als hätte man mich mit Hilfe einer Zeitmaschine in die Vergangenheit zurückversetzt.
»Au fein, komm, Alex, wir spielen Kaufladen…«
Er dreht sich zu mir um, mustert mich grinsend und schüttelt dann den Kopf. »Was stellst du denn eigentlich dar, Bambi?«
»Wieso?«
»Na, bist du jetzt ein Pirat oder ein Cowboy?«, fragt er feixend.
»Beides, ich bin eine gespaltene Persönlichkeit«, erkläre ich ernst und sortiere die Plastikäpfel und Kartoffeln in meinem kleinen Laden.
»Das glaube ich sofort.«
Meine Laune ist ganz wunderbar. Ich erinnere mich an die ganzen Geschichten, die mir Ma immer vor dem Schlafen gehen vorgelesen hat. Meine alten Kuscheltiere kommen mir in den Sinn und ich muss schmunzeln, als mir plötzlich all ihre Namen wieder einfallen. Es ist einfach schön. Außerdem darf ich gerade mit Alex allein sein…
»Wenn du ein Hamster wärst, wo würdest du dich dann verstecken?« Ich schaue ihn an.
»Keine Ahnung!« Er zuckt mit den Schultern und seufzt genervt.
»Also, ich würde wahrscheinlich in dieses große Puppenhaus dort drüben ziehen, das sieht so gemütlich aus.«
Alex hat mir gar nicht richtig zu gehört, er fährt sich mit der flachen Hand durchs Haar und sieht sich in dem Spielzimmer der Zwillinge um.
»Das ist doch scheiße! Wir werden dieses Vieh nie finden. Der Raum ist so zugemüllt, da können wir uns dumm und dämlich suchen.« Frustriert sieht er mich an.
»Hm, ja vielleicht…«, sage ich etwas abgelenkt und setze zwei lustig aussehende Figuren aus einem Überraschungsei in ein schickes Modellauto. »Wir sollten den Wagen verschwinden lassen, damit ihn Gustav nicht zu seiner Flucht missbrauchen kann«, murmle ich und fahre mit dem Modellauto im Kreis herum.
»Bambi, wie alt bist du eigentlich?« Alex beobachtet mich. Er sitzt im Schneidersitz einige Meter von mir entfernt und scheint die Lust am Suchen verloren zu haben.
»Frag nicht so dumm, sondern pass lieber auf: Achtung, sie kommen!« Ich schubse das Modellauto an und es saust mit den beiden Figürchen auf den vorderen Sitzen direkt in Alex' Richtung. Er stoppt den Wagen mit einer Hand und gibt ihm einen kräftigen Stoß, sodass es zurück zu mir rast.
»Behalt deinen Scheiß!« Das Auto fährt einen Meter an mir vorbei, rammt ein dickes Märchenbuch und überschlägt sich ein Mal. Die beiden skurrilen Figuren werden in hohem Bogen aus dem Wagen geschleudert und bleiben reglos einige Zentimeter von ihm entfernt liegen. Ich schreie erschrocken auf.
»Was hast du getan? Paul und Paula? Geht es euch gut?« Mit einem Krankenwagen von Playmobil fahre ich schnell zur Unfallstelle und rufe dabei: »Tatütata.«
Alex beachtet mich nicht. Er hat sich ein paar Bauklötze aus Holz geschnappt und reiht sie nun aneinander. Ich krabble auf ihn zu.
»Was machst du da?«
»Musst du dich nicht um deine Verkehrsunfallopfer kümmern?«
»Die sind tot! Kann man nichts mehr machen«, stelle ich emotionslos fest. »Also, was machst du da?« Ungeduldig schaue ich auf die lange Bauklötzchenreihe, die nun auch immer höher wird.
»Ich baue eine Mauer«, erklärt er ruhig und
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