Chaosprinz Band 1
ich meine, wenn ich von Gesellschaft spreche, sie weiß, was Ruf bedeutet und was von uns erwartet wird. Anja ist schon länger in mich verliebt. Ich habe das immer gewusst. Sie hat sich mir nie aufgedrängt, hat immer akzeptiert, dass ich keine Beziehung will. Als du dann plötzlich aufgetaucht bist, da… da musste ich reagieren… Ich wollte mich quasi in eine Beziehung zu Anja retten…« Er stöhnt müde.
»Weiß sie, dass du schwul bist?«
»Nein.« Wir schweigen.
Anja tut mir leid. Ich glaube, sie liebt ihn wirklich.
»Vielleicht hast du recht und dieser Kim ist wirklich ein toller Kerl, der dir das gibt, was du brauchst.« Er lehnt seine Stirn an meinen Hinterkopf, drückt seine Nase in mein Haar. Ich kann seinen warmen Atem spüren, wie er meinen Nacken streift. Mir wird ganz arg wehmütig. Ich will schon wieder heulen, stattdessen esse ich noch zwei weitere Bonbons. Wenn das ganze Drama nicht bald ein Ende hat, werde ich noch fett und sterbe an einer Überdosis Zucker und Herzversagen.
»Ja, Kim ist toll…«, nuschele ich mit rauer Stimme. »Alex?« Ich drücke mich an ihn, genieße die feste Umarmung. »Wie entliebt man sich?«
Er lacht leise… und traurig. »Ich weiß nicht.«
»Schade.«
Ich kaue auf einem Bonbon herum und denke nach. »Vielleicht, wenn du eklige Sachen machen würdest. Ja, das könnte funktionieren.«
»Gute Idee.« Wieder lacht er leise.
»Und ich? Was muss ich machen, damit du mich weniger magst?«
Er antwortet nicht gleich. Ich kann seine Brust an meinem Rücken fühlen. Sie hebt und senkt sich immer wieder. Es beruhigt und erregt mich gleichermaßen… Ich passe meine Atmung der seinen an.
»Sei einfach ein bisschen weniger wie du«, meint er schließlich sanft. Hm… verstehe ich nicht…
»O… Okay.« Ein Schauer krabbelt über meinen Rücken, als er zärtlich meinen Nacken küsst. Ich denke an so viele Dinge.
Ich seufze stumm, greife nach seiner Hand, die auf meinem Bauch liegt und streichle die Finger. Ich bin traurig.
Er küsst wieder meinen Nacken. Ich fühle mich wohl in seinem Arm.
»Weißt du was?«, flüstere ich mit sanft klopfendem Herzen.
»Was?«
»Wir haben es noch nie geschafft, eine ganze Nacht miteinander zu verbringen. Immer bist du weggegangen…«
Er verkrampft sich hinter mir. Ich spüre seine Anspannung. Er sagt nichts.
»Alex, tust du mir den Gefallen und bleibst diese Nacht?«
Er sagt immer noch nichts. Aber ich kann fühlen, dass er nickt…
Seufzend schließe ich die Augen, halte seine Hände fest und kuschle mich an ihn. Der Körper an meinem Rücken entspannt sich langsam. Er wird weicher, sein heftiger Herzschlag geht ruhiger.
Er presst mich an sich, vergräbt sein Gesicht in meinem Haar und atmet warm und gleichmäßig in meinen Nacken. Wir schlafen ein. Erschöpft. Traurig… verwirrt… erleichtert…
Das Leben ist so schrecklich kompliziert, gerade dann, wenn es am einfachsten ist… Ich habe ihn lieb… meinen Bruder… meinen Geliebten… meinen Freund…
Am nächsten Morgen weckt er mich mit einer heißen Tasse Kaffee.
29. Kapitel
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Lena sitzt mir gegenüber an unserem Küchentisch. Wir trinken Kaffee. Eigentlich wollte Lena längst auf dem Heimweg sein, doch sie hat immer wieder Gründe gefunden, warum sie doch noch ein halbes Stündchen bleiben musste.
»Und warum erzählst du mir das alles?« Ich beobachte sie aufmerksam. Sie schenkt mir ein unschuldiges Lächeln, doch das beeindruckt mich wenig. Seit einer Stunde erzählt sie mir halbherzige Geschichten über irgendwelche Bekannten. Langsam kommt mir der Gedanke, dass sie die Gerüchte und Anekdoten allesamt erfunden hat. Ich verdrehe die Augen.
»Ich dachte, du fändest so ein bisschen Klatsch und Tratsch ganz spannend.« Lena zieht einen Schmollmund. Ich werfe einen Blick auf die Küchenuhr. Punkt neunzehn Uhr. In meinem Magen kribbelt es ziemlich.
»Naja, war ja ganz nett… So, nun ist es aber auch schon ziemlich spät, du musst sicher nach Hause…« Ich will das Kaffeegeschirr abräumen und greife nach ihrer Tasse. Sie umklammert das Porzellan, lässt es nicht los und presst es krampfhaft an sich.
» Nein , ich habe noch nicht ausgetrunken.«
»Deine Tasse ist leer!« Ich stemme die Hände in die Hüften und muss mir ein Lachen verkneifen.
»Dann möchte ich bitte noch ein bisschen Kaffee, mit Milch, ohne Zucker…«, säuselt Lena, klimpert mit den Wimpern und streckt mir ihre Tasse unter die
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