Chaosprinz Band 1
gerade? Ich sollte mich nun eigentlich schlecht fühlen, weil ich Kim so schrecklich belogen habe, doch ich bin einfach nur erleichtert. Auch Kim scheint zufrieden. Gut gelaunt wechselt er das Thema und ich entspanne mich langsam wieder.
Kim lebt mit zwei anderen Studenten in einer WG. Er hat das Zimmer von einem Typen übernommen, der ein Semester im Ausland verbringt und sich so die doppelte Miete sparen kann.
»Es gibt nichts Schlimmeres als eine WG, in der sich alle gegenseitig an die Gurgel gehen. Entweder es passt oder es passt nicht. Das merkst du im Grunde sehr schnell, schon nach den ersten paar Tagen. Bei uns dreien hat es gleich klick gemacht. Wir kommen echt gut miteinander aus.« Kim lenkt den Wagen in eine lange Einbahnstraße. Er sucht nach einem Parkplatz und wird sogar recht schnell fündig. Wir steigen aus.
»Das da vorne ist es«, sagt Kim und zeigt auf ein Mehrfamilienhaus, das von außen ziemlich unscheinbar wirkt. Typischer Siebziger-Jahre-Bau. »Ganz oben, im vierten Stock.« Er schnappt sich meine Hand und zieht mich mit sich. Ich folge ihm durch das wenig einladend wirkende Treppenhaus.
»Hübsch!« Ich kräusele die Nase.
»Ja, wie bei den Royals«, lacht Kim und kramt in seiner Jackentasche nach dem Wohnungsschlüssel. Er öffnet eine etwas vergilbte Tür, die wohl einmal weiß gewesen ist.
»Hereinspaziert«, fordert mich Kim mit einer kleinen Verbeugung auf und ich gehe unsicher an ihm vorbei und in die Wohnung. Hier sieht es ganz genauso aus, wie ich es mir vorgestellt habe. Jedes Klischee einer Studenten-WG wird bestätigt.
Wenn ich diesen langen, schmalen Flur beschreiben müsste, so würde ich ihn wohl als das organisierte Chaos bezeichnen.
Kim wirft seine Jacke achtlos auf den Boden und nimmt mir dann meine ab. Die hängt er allerdings ganz sorgfältig an die überfüllte Garderobe.
»So, dann werde ich dir mal alles zeigen.« Er legt einen Arm um mich und schiebt mich durch den langen Flur auf eine helle Tür zu.
»Ach, hallo, hier habt ihr euch versteckt.« Kim öffnet die Küchentür und begrüßt seine Mitbewohner.
»Ja, wir gönnen uns noch einen kleinen Snack zu später Stunde. Wo kommst du eigentlich her, wir haben gar nicht mehr mit dir gerechnet? Wolltest du nicht zu deinem Freund?« Eine junge Frau, Mitte zwanzig, sitzt auf einem Plastikstuhl und kaut auf einem Käsebrot herum.
»Besser, ich habe ihn gleich mitgebracht.« Kim zieht mich zu sich, legt den Arm um meine Schultern.
Bei diesen Worten spüre ich ein seltsames Gefühl in meinem Magen. Es ist ein Kribbeln, aber kein erotisches oder nervöses. Nein, es geht tiefer… Es heilt, befreit, macht mich vollkommen und glücklich… Kim bezeichnet mich als seinen Freund. Ich bin nun nicht mehr allein… Jetzt bin ich ein Teil von etwas: Ich bin Tobi von Kim und Tobi ! Himmel, warum ist das so schön? Strahlend stehe ich neben ihm und betrachte seine Mitbewohner.
Agnes ist hübsch, groß und schlank. Sie hat sehr kurze, braune Haare und ein offenes Lächeln auf den Lippen. Holger muss wohl schon Ende zwanzig sein. Auch er ist sehr groß. Er trägt eine Brille und sollte dringend mal wieder zum Friseur, seine braunen Haare reichen ihm bereits weit über die Schultern.
»Hallo, Tobi, schön, dich kennenzulernen«, meint Agnes lächelnd und reicht mir die Hand.
»Hallo«, sage ich schüchtern.
»Kim hat schon viel von dir erzählt.« Sie lacht und Kim verdreht die Augen.
»Echt?« Ich sehe zu Kim.
»Vielleicht habe ich dich mal ganz kurz erwähnt.« Er will mich necken.
»Das ist ein bisschen untertrieben«, meint Agnes und lacht. »So, und nun erzähl mal, du gehst noch zur Schule?«
Ich schlucke. »Ja, stimmt.«
Plötzlich komme ich mir ziemlich dumm und jung vor. Ich meine, Kims Freunde sind doch alles Studenten oder so. Er ist vier Jahre älter als ich. Gott, Tobi, du Loser. Jetzt hast du seit einer Woche einen Freund und du fängst schon an, nach Gründen für ein mögliches Scheitern zu suchen. Entspann dich und lass es auf dich zukommen.
»Wir haben eben die Einladungen für deine Einweihungsparty ausgedruckt«, meint Holger an Kim gewandt.
»Cool, vielen Dank!« Kim nimmt einen Zettel entgegen, den ihm Agnes reicht. Dann gibt er ihn an mich weiter.
»In einer Woche geben wir eine kleine Party. Wir feiern meinen Einzug und die immense Bereicherung, die ich für diese WG bin.« Kim lacht und seine beiden Mitbewohner grinsen.
»Toll«, nuschle ich und betrachte die Einladung.
»Du musst
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