Chaosprinz Band 1
Jungen an, der so etwa in meinem Alter sein dürfte. Dabei läuft sein Gesicht unnatürlich rot an und eine große Ader auf seiner Stirn tritt hervor. Der Junge verdreht genervt die Augen, antwortet aber deutlich leiser und schafft es dabei nicht, dem breiten Mann in die Augen zu sehen.
»Es ist doch bloß ein Bett. Da schläfst du drin und fertig! Augen zu und durch, sozusagen.« Der Mann fährt sich mit der rechten Hand über seinen grauen Anzug, der am Bauch ziemlich spannt. Wieder antwortet der Junge in gedämpftem Ton, die Frau steht nur desinteressiert daneben und hält ihre lange, schmale Nase nach oben.
»Stellt sich immer an wie die allerletzte Primadonna, unser Sohn.« Während er seinen Sohn imitiert, fuchtelt der Dicke wild mit den Armen herum. Der Junge bemerkt die Zuschauer, die sich mittlerweile um die Familie versammelt haben, und tritt beschämt den Rückzug an. Er schleicht durch die Reihen und tut so, als würde er sich die einzelnen Modelle genauer anschauen. Als er bei Noresund und mir vorbeikommt, bleibt er verdutzt stehen. Ich liege immer noch auf dem Rücken in den Kissen und schaue zu ihm hoch.
»Was machst du da?« Seine grünen Augen starren mich verächtlich an. Ich mag doofe Fragen nicht. Und dies ist definitiv eine.
»Ich gehöre zum Modell!«
»Was?« Er zieht eine Augenbraue nach oben, was seinen plumpen Gesichtsausdruck nur noch mehr verstärkt.
»Ja, ich gehöre dazu, bin sozusagen im Preis mit inbegriffen!«
»Was bist du denn für ein Penner?« Er verschränkt seine dünnen Arme vor der Brust, und hebt seine schmale, lange Nase nach oben, genau wie seine Mutter eben. Als sein Vater ihn vor aller Welt heruntergeputzt hat, ist er nicht so arrogant gewesen.
»Was ist? Magst du mich nicht? Ich bin total pflegeleicht, man muss mich nicht bügeln und Motten bekomme ich auch keine, nur hin und wieder ein paar Filzläuse…«
Der Typ verzieht entnervt das Gesicht und haut endlich ab. Na bitte, hat ja auch lange genug gedauert. Ich will mich gerade auf Noresund zusammenrollen, da klingelt mein Handy. Es ist Karl, er wartet am Eingang auf mich.
10. Kapitel
Freddie Ljungberg und ein höllisch gutes Abendessen
Spielerisch stoße ich Elenas Hand beiseite, als sie versucht, einen der selbstgebackenen Kekse aus der Dose zu stibitzen.
»Meine!«
»Tobi, du bist gemein.«
Wir müssen beide lachen, und ich halte ihr – großzügig wie ich bin – die Dose unter die Nase. Zufrieden blicke ich auf und schaue mich in meinem Zimmer um. Es ist nicht zu fassen, was wir in den letzten zwei Wochen aus dem alten Dachboden gezaubert haben.
Karls kräftige Hände, Marthas flinker Besen und Elenas bescheidener Rat haben mir geholfen, aus rauem Holz und Spinnenweben ein gemütliches Zuhause zu zaubern. Auch wenn sie es nur mit Hammerschlägen und platschendem Seifenwasser gesagt haben, so war ihre Botschaft dennoch deutlich und klar: Du bist nicht allein!
Und diese freundschaftliche Bestätigung hatte ich auch bitter nötig. Seit dem unglücklichen Ausflug ins Möbelhaus vor zwei Wochen hat Joachim nichts unternommen, um unsere Beziehung in irgendeine Weise auf ein neues Level zu heben. Im Gegenteil, ich habe eher das Gefühl, dass er panisch den Raum verlässt, sobald ich ihn betrete. Als würde er vor mir flüchten.
Auch der Kontakt zum Rest der Familie hält sich extrem in Grenzen. Maria war die letzte Woche in einem Tennistrainingslager in der Schweiz. Ich muss gestehen, ich habe sie während ihrer Abwesenheit nicht sehr vermisst. Bettina und die Zwillinge haben ein ziemlich straffes Ferienprogramm, das sie mit eiserner Disziplin absolvieren. Zwischen Tennistraining, Klavierunterricht und arrangierten Spieldates mit irgendwelchen anderen privilegierten Kindern aus der Oberschicht haben sie nicht viele Freiheiten. Sie fangen an, mir ehrlich leid zu tun.
Alex habe ich so gut wie nie gesehen. Er war die meiste Zeit weg, kam nur hin und wieder vorbei, um sich frische Kleidung zu holen. Wahrscheinlich war er bei irgendeiner seiner Tussis, keine Ahnung. Ist mir auch scheißegal, ehrlich, soll er doch…
Am Anfang fiel es mir wahnsinnig schwer, mich mit meiner zwangsläufigen Einsamkeit abzufinden. Ich war todtraurig. Heimweh plagte mich und ließ mich keine Nacht ruhig schlafen. Ich wollte einfach nur noch nach Hause. Zurück nach Hamburg. Zurück zu Ma. Die Sehnsucht nach den Menschen, die ich liebe, machte mich fast krank.
Es war Ma – wer auch sonst –, die mich wieder auf den rechten
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