Chaosprinz Band 1
wie der Rest der Familie machen und eine Nachricht am Kühlschrank befestigen.
Komme heute Abend später, hab euch lieb! Dad
Schlaf diese Nacht bei Jana! LG Maria
Mom, Hr. Schreiber hat angerufen – Tennistraining fällt morgen aus. Alex
Bin schwul und die Milch ist leer! Gruß, Tobi
Ja, so könnte ich das machen…
»Freust du dich schon auf das Familienessen?« Martha stellt ihre Frage völlig beiläufig, dabei weiß sie natürlich, wie viel Angst ich vor heute Abend habe. Seit zwei Tagen heule ich ihr schon die Ohren voll und versuche, mich erfolglos vor diesem Essen zu drücken. Ich habe eine Magen-Darm-Grippe vorgetäuscht und ihr erzählt, ich hätte mir beim Treppensteigen den Knöchel verstaucht. Doch anstelle von Mitleid hat sie mich mit Magenbitter vollgestopft, bis mir übel geworden ist, und hat mir alte Krücken aus dem Keller geholt. Am Ende habe ich aufgegeben.
Zu Beginn bin ich von der Idee ganz angetan gewesen. Ich habe mich darauf gefreut, einen ganzen Abend mit meiner neuen Familie zu verbringen. Und als ich mitbekommen habe, dass Bettinas Eltern uns begleiten werden, habe ich zunächst auch nichts dagegen gehabt. Erst die Reaktionen der anderen Familienmitglieder und vor allem die von Martha, Karl und Elena haben mich nervös gemacht. Und von da an habe ich Angst gehabt.
»Du brauchst nicht nervös zu sein.« Martha macht sich an meinem Kleiderschrank zu schaffen. Sie legt einen schwarzen Zweiteiler aufs Bett. Wir haben ihn erst gestern extra für diesen Anlass gekauft.
»Ich hab aber Angst«, brumme ich und nippe an meinem Sekt. »Ihr sagt doch alle, dass die so schrecklich sind…«
»Keiner hat das gesagt!« Martha sieht mich ernst an. »Tobi, die Pohlmanns sind ein wenig streng und vielleicht zu konservativ, aber sie sind keine bösen Menschen. Ich habe lange für sie gearbeitet.«
Ich stoße einen tiefen Seufzer aus und lasse mich schwungvoll auf Noresund fallen.
»Pass auf deinen Anzug auf! So, und nun gehst du am besten gleich unter die Dusche und versuchst, irgendetwas mit deinen Haaren zu machen… Frag doch Alex, ob er etwas Gel für dich hat.«
Sie greift nach meinem Arm und zerrt mich zurück auf die Beine, dann schiebt sie mich mit sanfter Gewalt in Richtung Badezimmer. Karl hat Freddie mittlerweile an der Wand befestigt, Elena schnappt sich die Keksdose und gemeinsam steigen sie durch die Bodenluke. Sie lassen mich alleine. Gemein! Wenigstens die Kekse hätten sie dalassen können…
Fertig geduscht und mit dem neuen Anzug am Leib, stehe ich fünfzehn Minuten später vor Alex' Tür. Ich bin noch nie in seinem Zimmer gewesen. Naja, er war ja auch noch nie bei mir… Ich könnte ihn ja mal einladen… Nervös knete ich meine Hände. Warum bin ich noch mal hier?
Plötzlich wird die Tür von innen aufgerissen, ich zucke fürchterlich zusammen. So, das war's, Herzinfarkt: Tod! Alex schaut mit funkelnden Augen auf mich herab.
»Was willst du? Warum lungerst du vor meinem Zimmer herum?«
»Gel!« Da, jetzt ist mir wieder eingefallen, warum ich hier bin…
»Was? Sprich in ganzen Sätzen mit mir, Bambi!«
Gott, wie peinlich, er hält mich wahrscheinlich für den allerletzten Höhlenmenschen: Tobi wollen sagen Hallo! Tobi machen schön! Tobi wollen schlafi-schlafi-machen mit Alex!
»Bambi, ich hab nicht ewig Zeit.«
»Äh, sorry, ich wollte dich nur fragen, ob du etwas Haargel für mich hast?«
»Wozu brauchst du Haargel?«
»Ich hab heute noch nichts gegessen…«
»Gott, Bambi, du bist so witzig.«
»Danke! Aber bei deinen Vorlagen kann man nicht viel falsch machen.«
Er funkelt mich an und ich weiß selbst nicht, woher ich den Mut nehme, ihm immer wieder so zu kontern. In dem einen Moment bringe ich kein Wort heraus, in dem anderen kann ich es nicht lassen, ihn zu provozieren…
»Hast du nun etwas Gel für mich?«
»Wozu?«
»Kann ich dir nicht sagen, ist ein Geheimnis.«
Er seufzt und fährt sich durch das weiche blonde Haar. Hm, ich würde diese Haare gerne mal berühren…
»Komm rein, aber fass nichts an!« Er greift nach meinem Hemdsärmel und zieht mich in sein Zimmer. Ich bin beeindruckt. Dieser Raum ist wie Alex: stilvoll, sexy, kühl und irgendwie etwas Besonders… Ich kann es nicht anders beschreiben. Und überraschender Weise fühle ich mich augenblicklich wohl.
Er drückt mich auf seinen Schreibtischstuhl. »Nichts anfassen!«
»Ich weiß nicht, ob ich das hinbekomme, es ist wie ein Zwang, wenn ich in einen neuen Raum komme, muss ich erst
Weitere Kostenlose Bücher