Chaosprinz Band 1
Stapelweise. Sortiert und durcheinander. In Regalen, auf Tischen, Theken, Rondellen, Paletten und dem staubigen Fußboden. Überall Bücher.
»Paps?« Scheinbar hat Marc seinen Vater auch noch nicht entdeckt, denn er schaut sich suchend um und bückt sich sogar, um unter einem der Tische nachzusehen.
»Hier oben!« Gleichzeitig heben wir die Köpfe. Auf einer hohen Leiter steht ein Mann mittleren Alters, der uns freudig zuwinkt. »Hallöchen.«
Das ist Marcs Vater? Dieser Kerl, der da auf einer wackeligen, alten Holzleiter steht, einen Bleistift hinter das rechte Ohr gesteckt und ein uraltes Klemmbrett im Arm, ist Marcs Paps ? Marc, der sich noch einmal die Schuhe putzt und die Haare kämmt, bevor er um halb sechs Uhr morgens kurz das Haus verlässt, um das Altpapier in die Tonne zu werfen?
Der dünne Mann lächelt zu mir runter. Seine beinahe komplett weißen Haare sind leicht zerzaust, die große, runde Brille sitzt ein bisschen schief auf der schmalen Nase und vereinzelt haben sich Staubflocken auf dem Wollstoff seines violetten Pullovers festgesetzt.
»Du musst Tobi sein.« Er strahlt mich an und kraxelt vorsichtig rückwärts die Leiter hinunter.
»Ja, der bin ich.« Ich ergreife die schmale Hand, die er mir entgegenstreckt.
»Mein Name ist Ludwig. Kannst ruhig Du sagen, wenn du magst.«
Ich lächle ihn an. Ludwig macht eine schwungvolle Bewegung mit den Armen und dreht sich dabei einmal um sich selbst.
»Das ist also mein Laden. Er ist nicht sehr groß und ich mache mit ihm auch nicht so wahnsinnig viel Umsatz, aber zum Überleben reicht's und er gehört mir…« Fast zärtlich fährt Ludwig mit den Fingerspitzen über ein paar Buchrücken, die nebeneinander in einem Wandregal stehen. Stolz lächelt er mich an. »Marc hat mir gesagt, dass du auf der Suche nach einem Job bist. Ich kann dir nicht sehr viel zahlen, aber für ein bisschen Hilfe wäre ich wirklich dankbar.«
Ich nicke, immer noch lächelnd. Marc tritt neben mich und drückt mir ohne ein erklärendes Wort einen Stapel Taschenbücher in die Arme.
»Auf das Geld kommt es gar nicht so sehr an, Paps. Ich hab dir doch schon gesagt, am wichtigsten ist, dass er lernt, selbstständiger zu werden und Verantwortung für sich und das, was er tut zu übernehmen.«
Toll! Wütend funkle ich Marc an. Was soll das denn? Wenn er jemanden erziehen will, soll er sich einen Hund kaufen, dem kann er dann beibringen, nicht in den Blumentopf zu pissen. Ludwig scheint meine Gedanken zu erraten. Er wirft mir einen verständnisvollen Blick zu und deutet dann mit dem Zeigefinger auf einen niedrigen, kleinen Tisch am Ende des Raumes.
»Du kannst die Bücher da ablegen…« Ich wanke los, immer darauf bedacht, nicht über meine eigenen Beine zu stolpern, und folge Ludwig.
»Hast du schon mal in einem Buchladen gearbeitet?«, fragt er mich freundlich und hilft mir, die Bücher ordentlich auf dem Tischchen zu stapeln.
»Nein.« Ich schüttle den Kopf.
»Hm, das dürfte aber trotzdem kein Problem sein. Da wächst du bestimmt schnell hinein, oder?«
Ich beeile mich, zu nicken, und Ludwig lächelt mich glücklich an.
»Tobi, ist dir aufgefallen, dass du mindestens seit fünf Minuten schon nichts Richtiges mehr gesagt hast?« Marc zerschneidet das Klebeband eines großen, braunen Pappkartons. »Normalerweise kann er keine zwanzig Sekunden am Stück die Klappe halten, er ist so ein Plappermaul.«
Ich schmolle und verschränke die Arme vor der Brust. Muss er denn immer auf mir herumhacken? Wenn ich rede, stört es ihn, und wenn ich still bin, dann beschwert er sich auch. Mann, was will der von mir?
»Ach Marc, nun sei nicht so gemein!« Ludwig legt mir tröstend eine Hand auf die Schulter und nickt mit dem Kopf in Richtung der Kisten, die Marc gerade geräuschvoll öffnet. »Nimm die Bücher, die Marc dir gleich reichen wird, und bring sie mir bitte, damit ich sie verteilen kann.« Er lächelt und ich nicke wieder. Schwungvoll reiße ich Marc einen Stapel Taschenbücher aus der Hand.
»Boah, jetzt sei nicht so zickig!«, motzt er mich an. Ich strecke ihm die Zunge raus und Marc verdreht genervt die Augen. »Du bist so ein Kind!«, zischt er.
»Und du ein verklemmter Spießer-Arsch-Blödmann!«, flüstere ich wütend zurück.
»Hey, hey, ihr beiden! Nicht streiten!« Ludwig beobachtet uns mit halb amüsiertem, halb tadelndem Gesichtsausdruck. Schweigend räumen wir nun die Kartons aus. Marc reicht mir die neuen Bücher, die ich dann zu Ludwig trage. Mein Blick
Weitere Kostenlose Bücher