Chaosprinz Band 1
zur Seite.
»Autsch, was soll das, warum sitzt du nicht vorne? Braucht dein Bruder so viel Platz für sein Ego?« Ich kann sein Schnauben hören.
»Nein, für seine Freundin, und nun rutsch endlich.«
»Was?«
»Wir müssen noch bei Anja vorbei«, erklärt Alex ruhig.
Ich schweige. Elena tätschelt unauffällig meine Hand und ich starre regungslos nach vorne. Maria neben mir zupft die ganze Zeit an ihrem Kleidchen herum.
»Wehe, du setzt dich auf den Stoff und zerknitterst ihn«, zischt sie mir böse zu.
Meine Laune ist jetzt schon so was von im Keller. Ich will wieder zu Noresund und Freddie, will mit Mr. Teddybär knuddeln und DVDs schauen. Schmollend rutsche ich etwas näher an Elena, lehne mich ein bisschen an sie und tuschele ihr zu: »Ich tu das alles nur für dich!«
Sie lächelt mich aufmunternd an. »Wer weiß, vielleicht wird es doch noch ein schöner Abend…«
»Du meinst, Martin lässt mich mal mit seiner Eisenbahn fahren?«, ärgere ich sie und bekomme dafür einen kräftigen Ellenbogenstoß in die Rippen. Alex fährt nur ein paar Minuten durch die Siedlung, dann blinkt er und hält vor einem riesengroßen Haus, das unserem erschreckend ähnlich sieht. Er hupt drei Mal.
»Charmant!« Ich kann's mir nicht verkneifen…
»Das war so ausgemacht«, zischt er nach hinten und wirft mir kurz einen warnenden Blick zu. Ich höre klackende Geräusche von High Heels auf Pflastersteinen, dann öffnet sich die Beifahrertür. Ein hohes, fröhliches: »Hi.« Sie lässt sich auf den Sitz fallen, die Tür wird zugezogen, ein schmatzendes Geräusch und seine tiefe Stimme: »Hi.«
Ich bin einem klaustrophobischen Anfall nahe und knete nervös meine feuchten Hände. Elena berührt sachte mein Knie, will mich beruhigen.
»Hallo!« Sie dreht sich zu uns um und strahlt in die Runde. Ich kann ihr Lächeln nicht sehen, aber ich höre es überdeutlich.
»Hallo«, sagt Elena leise.
»Hm«, brummen Maria und ich im Chor. Anja dreht sich wieder nach vorne, zurück bleibt ihr extremer Duft. Ich kann gar nicht sagen, wonach ihr Parfüm riecht. Vanille ist dabei und irgendetwas mit Rosen… Keine Ahnung.
»Meine Geschwister haben schlechte Laune«, erklärt Alex seiner Freundin leise und will so wohl Marias und mein unhöfliches Verhalten entschuldigen.
»Aha«, macht sie verstehend und strahlt ihn dann freudig an. Alex startet den Motor, fährt los und legt den zweiten Gang ein.
»Hast du das Geschenk dabei, Schatz?« Anja schnallt sich an und sucht dann in ihrer kleinen Handtasche nach einem Lipgloss.
»Nein, Tom bringt es mit«, antwortet er leise.
»Ich bin wirklich auf Martins Gesicht gespannt.« Sie lacht.
»Hm.«
Wir fahren geradeaus, biegen links ab, biegen rechts ab. Ich sehe Häuser, die ich noch nicht kenne, Kirchen, in denen ich noch nie gewesen bin, Parks, die mir völlig fremd sind… Ich sehe Alex' Hand auf dem Schaltknüppel, Anjas Finger, die immer wieder seinen Arm berühren. Ich höre, wie sie ihm etwas erzählt, dabei lacht, er den Kopf dreht, um sie anzusehen, nickt, lächelt…
Das ist doch nicht fair! Ich bin nicht mehr wütend und auch nicht beleidigt… Ich bin einfach nur noch traurig. Ich möchte dort vorne neben ihm sitzen, mit ihm lachen, ihm was erzählen. Ich will mit ihm zusammen sein…
»Maria, werden viele Leute aus deiner Klasse da sein?« Anja hat sich wieder zu uns umgedreht, sieht aber nicht meine Schwester an, sondern mustert stattdessen mich.
»Ein paar«, brummt Maria leise.
»Aha, schön.« Anja schaut mich immer noch an. Ich kann ihren Blick nicht länger ignorieren. Seufzend blicke ich auf. Sie ist hübsch. Ihr langes braunes Haar trägt sie offen und glatt, es glänzt im Scheinwerferlicht der entgegenkommenden Autos. Sie ist nicht stark geschminkt und auch die helle Jeans und das weiße Top sehen nicht billig oder tussig aus… Mist! Wenn sie doch wenigstens eine aufgetakelte Schlampe wäre…
»Entschuldige bitte, ich weiß, wir haben uns schon mal gesehen, aber ich hab's nicht so mit Namen… Verrätst du mir noch mal, wie du heißt?«
Ich brauche eine Weile, bis ich die Energie finde, ihr zu antworten.
»Sein Name ist Schleimi!«, unterbricht mich Maria schnell, als ich gerade zum Sprechen ansetzen will. Belustigt wechselt Anjas Blick zwischen Maria und mir hin und her. Ich zwicke Maria in den Oberschenkel, woraufhin sie zu jaulen anfängt. Anja lacht.
»Ich bin Tobi«, füge ich nun noch schnell als Erklärung hinzu, bevor ich mich Maria zuwenden muss, um
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