Chaosprinz Band 2
Melli und Jan. Sie hält seine Hand, spielt mit den einzelnen Fingern und streicht immer wieder mit dem Daumen über seinen Handrücken. Schnell senke ich den Blick, doch ich kann Anjas helles Lachen noch hören. Dann spüre ich ein Vibrieren in meiner Hose… also, in der Tasche… Ich beeile mich und drücke mein Handy ans Ohr.
»Lena?«, frage ich atemlos.
»Nein, leider nicht.« Es ist Kim.
»Oh, sorry«, sage ich schnell. »Ich warte auf einen Anruf von Lena.«
»Aha…« Er hat scheinbar mit einer anderen Begrüßung gerechnet.
»Aber natürlich freue ich mich auch über deinen Anruf. Nein, ich freue mich ganz besonders über deinen Anruf. Ich kann Aufmunterung vertragen.« Ich entferne mich einige Meter von der Clique, damit Kim und ich in Ruhe reden können.
»Ich vermiss dich«, nuschle ich leise. Und ich meine es auch so.
»Ich dich auch, mein Süßer«, raunt er sanft. »Ich rufe dich an, um zu fragen, ob ich dich nicht gleich von der Schule abholen soll?«
»Hm…« Ich überlege kurz. »Ja, warum nicht, kannst du machen.«
»Gut. Wo sollen wir uns treffen?«
»Am besten vor dem Schulgebäude, auf dem Parkplatz«, schlage ich vor.
»Alles klar, dann machen wir es so.« Ich kann sein Lächeln förmlich hören. »Ich freu mich auf dich.«
»Ich mich auch, bis später«, sage ich und versuche, möglichst viel Liebe und Wärme in meine Stimme zu legen. Seufzend lege ich auf.
»War das Lena?«
Erschrocken drehe ich mich um. Alex steht dicht hinter mir.
»Musst du dich eigentlich immer so anschleichen?«, frage ich mit klopfendem Herzen. »Und nein, das war nicht Lena…«
»Wo ist sie?« Seine grauen Augen bohren sich in meine. Ich habe das Gefühl, als könnte er in mich hinein gucken.
»Ich… Sie ist nach Hause gegangen. Magen-Darm.«
Er glaubt mir nicht. Kein Wort. Trotzdem fragt er nicht weiter nach, wendet nur seufzend den Blick ab und wechselt dann das Thema.
»Du musst heute Nachmittag wieder arbeiten, oder?«
»Ja.«
»Soll ich dich fahren?« Er schaut starr geradeaus. Mein Herz macht einen freudigen Hüpfer und fällt dann schwer und hart ins Bodenlose. Ich schlucke. Kim holt mich ja schon ab.
»Also…«, sage ich nervös.
»Tobi!«
Ein Rufen unterbricht mich. Alex und ich bleiben stehen und drehen uns um. Hinter uns, am Ende des Ganges steht Ben. Scheiße! Den habe ich ja total vergessen. Ich war die letzten Tage so mit Kim, der Familie, meinem Outing, Lena, Mathe und Alex beschäftigt gewesen, dass ich Ben, Manu und Marc einfach verdrängt habe. Er kommt mit schnellen Schritten auf uns zu.
»Hi«, sage ich nervös. Dann fällt mir auf, das Hi eine ziemlich vertrauliche Begrüßung und vielleicht für einen Bekannten aus einem Schwulenclub, jedoch nicht für einen Deutschlehrer geeignet ist.
»Hallo, Herr Baummann«, verbessere ich mich schnell. Alex' graue Augen bohren sich prüfend in mein Gesicht. Ich habe das Gefühl, als würde er mir die Wange verbrennen.
»Hallo«, sagt Ben ruhig. »Könnte ich eine Minute mit Ihnen sprechen, Tobi?«
»Ja, natürlich.« Ich nicke.
»Alex, gehen Sie bitte schon mal ins Klassenzimmer, wir kommen sofort nach.«
Alex sieht so aus, als würde er dieser Aufforderung nur sehr ungern nachkommen. Doch dann nickt er kurz und geht. Ben und ich bleiben allein zurück.
»Tobi, ich dachte, es wäre vielleicht eine gute Idee, vor dem Unterricht noch ein paar Kleinigkeiten zu klären. Ich will nicht, dass die Situation zwischen uns nachher irgendwie komisch wird, du weißt doch, was ich meine, oder?«, flüstert er ernst.
»Ja…« Ich atme schwer aus.
»Wegen … hm, wegen Marc…« Er seufzt.
»Was ist mit Marc?«
»Seid ihr Freunde?«, fragt er und klingt dabei sehr gequält.
»Ja, wir sind sehr gute Freunde.« Ich sehe ihm fest in die Augen.
»Hat er etwas gesagt… über mich?« Er wirkt nervös.
»Du meinst, ob er mir von deiner Affäre mit Manu erzählt hat? Ja, ich weiß Bescheid…« Es ist mir unangenehm, hier mit ihm über dieses Thema zu sprechen.
»Das habe ich befürchtet.« Ben seufzt. »Tobi, du musst mir glauben, ich wollte mich nirgends einmischen…«
»Aber du hast gewusst, dass sie zusammen sind. Du hast sie als Paar kennengelernt«, unterbreche ich ihn scharf.
»Ja, das stimmt.« Er seufzt.
Ich schaue zu Boden. »Du brauchst dich vor mir nicht zu rechtfertigen«, sage ich ernst. »Mich geht das Ganze nichts an.«
»Aber Marc ist dein Freund und ich will nicht… Ich will nicht, dass sich diese privaten
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