Chaosprinz Band 2
der kam mir gleich irgendwie bekannt vor…« Er deutet auf den Wagen.
»Ja«, sage ich schnell und werfe einen kurzen Blick auf das Auto. »Mein Bruder…«, füge ich noch leise als Erklärung hinzu.
Eilig steige ich in Kims Auto, schnalle mich an und warte darauf, dass er den Motor startet. Im Seitenspiegel kann ich die Clique weit hinter uns erkennen, wie sie gutgelaunt über den Parkplatz läuft. Dirk, Jan, Melli, Anja, Tom und Alex.
Plötzlich kann es mir gar nicht mehr schnell genug gehen. Ich bin unendlich froh, als Kim endlich anfährt und wir langsam vom Parkplatz rollen. Ich beobachte die anderen im Spiegel. Dirk erzählt laut und wild gestikulierend. Jan und Tom hören ihm lachend zu. Melli umklammert Jans Hand und flüstert Anja irgendetwas ins Ohr. Anja nickt und streicht sich in einer schwungvollen Bewegung das lange, braune Haar aus dem Gesicht. Und Alex starrt Kims Auto hinterher…
33. Kapitel
Der Künstler
»Willst du das letzte Stück Pizza?« Kim deutet auf den viereckigen Pappkarton, in dessen Mitte ein schmales Stück Salamipizza liegt.
»Nee, iss ruhig, wenn du möchtest.« Ich bin sehr satt. Zufrieden lehne ich mich zurück, lege den Kopf auf die hölzerne Rückenlehne der Parkbank und schließe seufzend die Augen.
Wir haben Glück. Es ist ein wunderschöner Oktobertag, die Sonne scheint und draußen ist es angenehm warm. Die Bäume im Park zeigen sich in ihrer schönsten Pracht. Stolz präsentieren sie ihre gelben, roten und braunen Blätter und sie scheinen kein bisschen traurig über den sanften Wind zu sein, der sie ihnen von den Ästen stiehlt und mit sich fort trägt.
Die Idee, unsere Mittagspause im herbstlichen Park zu verbringen, habe ich von Anfang an super gefunden. Unsere Bank wird direkt von der Sonne angestrahlt und wärmt meinen ganzen Körper. Genießerisch halte ich die Augen geschlossen und lausche den Geräuschen um uns herum.
»Pennst du?« Ich spüre Kims Ellenbogen in meinen Rippen.
»Hm«, grummele ich und döse weiter. Er lacht leise. Ich öffne träge die Augen und sehe ihn an. »Warum lachst du?«
»Tu ich doch gar nicht.« Er grinst. »Ich frage mich gerade nur, wie du wohl deine Pizza gegessen haben musst, damit du so aussiehst.« Er lacht erneut.
»Hab ich Tomatensauce am Kinn?«, frage ich unsicher.
»Am Kinn, auf den Wangen, den Lippen, der Nasenspitze…«
Hektisch reibe ich mir mit den Händen über das Gesicht. »Und das sagst du mir erst jetzt?« Ich bin ein bisschen sauer… und sehr blamiert.
»Von mir aus hättest du es auch so lassen können, ich fand's entzückend.« Seine große, starke Hand greift in meinen Nacken und zieht mich ruckartig näher. Er küsst meine Wange. »Außerdem war ich mir nicht sicher, ob du dich nicht mit Absicht voll geschmiert hast, weil du gehofft hast, dass ich dich dann sauber lecke…«, raunt er mir ins Ohr.
»Wann musst du wieder los?« Ich lehne mich etwas an seine Schulter und schließe seufzend die Augen.
»Bald. In einer Viertelstunde müssen wir gehen. Ich bringe dich erst zur Arbeit und fahre dann weiter in die Redaktion.« Er legt den rechten Arm um meine Schultern und zieht mich sanft näher an seinen Körper.
»Schade«, nuschele ich müde.
»Ja.« Er seufzt. »Kannst du heute Nacht nicht bei mir schlafen?«
»Ich habe morgen Schule…«
»Ja, und?«, fragt er verständnislos.
»Pa und Bettina wollen nicht, dass wir unter der Woche ausgehen...«
»Du gehst ja nicht tanzen oder saufen. Im Gegenteil, du bist ein ganz braver Junge und verbringst den gesamten Abend in meinem Bett…«
Ich muss lachen. »Du hast recht, vielleicht sollte ich so argumentieren.«
»Oder du sagst deinen Eltern einfach, dass du schwul bist und einen Freund hast, dann kann ich auch mal bei dir übernachten.«
Ich verkneife mir ein ungläubiges Schnauben. Klar, ich gestehe Pa und Bettina, dass ich schwul bin und das Erste, was sie tun werden, ist, Kim zum Dinner einzuladen. Jawohl, und am nächsten Tag sprießen die Regenwälder, es wird ein Mittel gegen Aids gefunden, alle Terroristen unterschreiben einen Friedensvertrag, das Ozonloch schließt sich gut gelaunt, die Polkappen gefrieren wieder und in Afrika regnet es Brot… Nee, also ehrlich, so naiv bin nicht einmal ich.
»Ich denke, bis du mit meiner Familie frühstückst, muss noch viel passieren«, murmele ich ernst.
»Ich sehe das nicht so eng«, meint Kim locker. »Eltern lieben mich. Nein, ehrlich, ich weiß, wie man sich als perfekter Schwiegersohn
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